Geschichte

"Widerständler waren Außenseiter"

von Jörg Hafkemeyer · 9. März 2009
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Wolfgang Neugebauer, wir möchten mit einem Zitat aus Ihrem neuen Buch beginnen: "Der österreichische Widerstand wurde angezweifelt, bagatellisiert oder geleugnet". in Ihrem Fazit schreiben Sie, dass er nur zu feierlichen Anlässen hoch gehalten wurde oder um sich außenpolitische Vorteile zu verschaffen. Warum?

Diese Einstellung hat einen wichtigen staatspolitischen Hintergrund. Die Moskauer Deklaration der Alliierten von 1943, die die Wiederherstellung Österreichs proklamierte, forderte einen eigenen Beitrag zur Befreiung. Bei den Staatsvertragsverhandlungen, die 1947 begannen, forderten die alliierten Siegermächte ebenfalls den Nachweis dieses eigenen Beitrags. Daher war es notwendig, dass das offizielle Österreich diesen eigenen Widerstandsbeitrag bei staatspolitischen Ereignissen in den Vordergrund stellte. Die gesellschaftliche Realität in unserem Land ist allerdings eine ganz andere.
So war es in der Vergangenheit.

Wie ist es denn heute?

Natürlich gibt's das auch heute. Ich erinnere an das Jahr 2005. Da hat die damalige konservative Regierung im Parlament eine Enquete zum Thema Widerstand durchführen lassen, mit dem Ziel, den Widerstand hervorzukehren. Das ist die Haltung des offiziellen Österreichs. Ganz anders sieht es in großen Teilen der Bevölkerung aus. Wenn sie sich einmal in Kärnten umschauen, werden sie wahrscheinlich keine besondere Hochschätzung des österreichischen Widerstandes finden. Da hat sich, historisch begründet, eine ziemlich gehässige Einstellung gegenüber den Slowenen und den Partisanen Titos herauskristallisiert.

Können Sie das konkreter beschreiben?

Die Mehrheit der erwachsenen Österreicher hat im zweiten Weltkrieg an der Seite Hitler-Deutschlands gekämpft. 1,2 Millionen Österreicher sind in die Deutsche Wehrmacht eingerückt. Die alle und ihr Umfeld haben sich natürlich eher mit der Wehrmacht identifiziert. Die Widerständler waren Außenseiter. Das kann man heute noch sehen. Es gibt praktisch in jedem österreichischen Ort ein Kriegerdenkmal für die Gefallenen im Zweiten Weltkrieg, während in der Regel Widerstandskämpfer nicht geehrt werden. Erst sehr spät begann man in unserem Land in den größeren Städten ihrer zu gedenken.

In Deutschland, auch in Frankreich, wurden nach dem Krieg zurückkehrende Widerstandskämpfer und Exilanten als Vaterlandsverräter denunziert. Wie war das in Österreich?

Das Vorurteil in Österreich war ungefähr das: Den Exilanten, den Vertriebenen ist es sehr gut gegangen. Die haben in Paris oder anderswo im Kaffeehaus gesessen, haben politisiert und wir haben den Krieg, den Bombenkrieg und anderes Leid erlebt. Es gibt ein ziemliches Unverständnis gegenüber den Vertriebenen. Zudem war es für viele objektiv ein Ärgernis, wenn die tot Geglaubten und Verschwundenen nach dem Krieg aus dem Ausland zurückkehrten und beispielsweise ihre Immobilien von denen wieder zurückwollten, die geblieben sind und mitgemacht haben.

Heribert Steinbauer, Sie sind der Verleger. Was bringt einen früheren österreichischen Abgeordneten der Konservativen dazu, mit einem deutlich links von ihm stehenden Historiker dieses Buch zu machen?

Weil in den letzten zehn Jahren in jüngeren Generationen der Eindruck erweckt wurde, der Wiener Heldenplatz sei ganz Österreich gewesen. Ich bin aber der Auffassung, dass man auf die andere Seite hinweisen muss, sie herausstellen muss. Ich komme selbst aus einer Familie, in der es Zustimmung zu Hitler gab und Ablehnung. Natürlich wurde Hitler auf dem Heldenplatz zugejubelt (1938 verkündete Hitler dort den "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich, Red.). Aber es waren nicht alle Österreicher für ihn. In den zurückliegenden Jahren tauchte mehr und mehr die Frage unserer Enkel auf, warum Hitler in unserem Land nicht verhindert worden sei. So kamen der Historiker Neugebauer und der Verleger Steinbauer zusammen.

Wolfgang Neugebauer, erstmals wird in Ihrem Buch auch der jüdische Widerstand dargestellt.

Das trifft zu, und darauf bin ich ein wenig stolz. Es ist nicht etwa so, dass die ganze jüdische Glaubensgemeinschaft Widerstand geleistet hat, aber es haben viele Juden in ganz verschiedenen Organisationen Widerstand geleistet. Zumeist in linken, kommunistischen Widerstands- und in Partisanengruppen. Einige der Anführer der österreichischen Partisanen zum Beispiel waren jüdischer Herkunft. Auch im Widerstand im belgischen, französischen oder niederländischen Exil hat es Juden gegeben.

Heribert Steinbauer, zum Schluss. Sie haben in ihrem Verlag auch das Buch, "Der rechte Rand" herausgegeben.

Ich glaube, beide Bücher sind zwei Seiten einer Münze. Die ältere Generation leugnete den Widerstand, weil es ihn angeblich nicht gegeben hat. Die Jungen schieben die Nazizeit einfach weg und glauben, es sei schick, rechts zu sein. Dort läge die Zukunft. Beides ist falsch. Deshalb verlege ich diese Bücher gut 70 Jahre nach dem Untergang Österreichs 1938.

 

Literaturhinweise:

Heribert Schiedel: Der rechte Rand, Extremistische Gesinnungen in unserer Gesellschaft
Edition Steinbauer, Wien 2007, 200 Seiten, 22,50 Euro, ISBN 978-3-902494-25-2

Wolfgang Neugebauer: Der österreichische Widerstand 1938-1945. Edition Steinbauer,
Wien 2008, 286 Seiten, 22,50 Euro, ISBN 978-3-902494-28-3

 

Quelle: zeitblende Nr. 22, vorwärts 03/2009

Die Zeitblende steht hier als pdf zum download bereit.

Autor*in
Jörg Hafkemeyer

ist Journalist, Gast-Dozent für Fernsehdokumentation und -reportagen an der Berliner Journalistenschule und an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin sowie Honorarprofessor im Studiengang Kulturjournalismus an der Berliner Universität der Künste (UdK).

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