Geschichte

"Unrecht als Unrecht benannt"

von Gero Fischer · 9. November 2009
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Mit den anwesenden Manfred Stolpe und Martin-Michael Passauer würdigte Momper zwei Vertreter der Evangelischen Kirche in der DDR. Sie seien Persönlichkeiten gewesen, die den Schirm über viele Leute gehalten hätten. "Die Kirchen hatten einen großen Anteil daran, dass die Revolution von 1989 friedlich verlaufen ist", so der Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses.

Der Wahrheit zu ihrem Recht verholfen

Der Theologe Martin-Michael Passauer, der im Jahr 1989 Pfarrer in der Sophienkirche war, berichtete am Beispiel seiner Kirche von der besonderen Beziehung zwischen DDR-Bürgerrechtsbewegung und den Kirchen: Dass plötzlich über 500 Menschen zu den Gottesdiensten kamen und sich anschließend auf dem Kirchengelände versammelten. Wie er für die eigentlich verbotene Organisation "Ärzte für den Frieden" eine Kopiermaschine besorgte und die Unterschriften des "Neuen Forums" in geheimen Panzerschränken versteckte. Sein Motto von damals: "Wir sind eine offene und öffentliche Kirche. Niemandem wird der Eintritt verwehrt, auch wenn er aus anderen Gründen kommt als die üblichen Gottesdienstbesucher."

Seine Kirche habe Räume für Menschen bereitgestellt, die Schutz brauchten, so Passauer. "Wir haben versucht, der Wahrheit zu ihrem Recht zu verhelfen und haben das Unrecht als Unrecht benannt." Eine besondere Genugtuung verschafft es dem Theologen, damit Honecker berühmten Satz vom Ochs und Esel widerlegt zu haben. "Dass gerade wir Ochsen und Esel den Sozialismus aufgehalten haben", bleibt für ihn ein kleines Wunder.

Ein geübtes Selbstbestimmungsrecht

Manfred Stolpe erinnerte an die verschiedenen Stationen auf dem Weg zum Mauerfall am 9. November: Die Demonstration am 4. Oktober in Dresden, bei der geschossen wurde; Das 40jährige Jubiläum der DDR am 7. Oktober, bei dem in Berlin Demonstranten zusammengeprügelt wurden; schließlich die immer größer werdenden Montagsdemonstrationen. Auch am Tag des Mauerfalls selbst habe er, so Stolpe, große Angst gehabt, "dass doch noch geschossen wird".

Das Wichtigste an diesem Tag sei aber gewesen, dass die DDR-Bürger selbst die Initiative ergriffen hätten: "Die Leute haben nicht gewartet bis ihnen die Regierung das Reisen gewährt hat, sondern haben sich die ihre Freiheit selbst genommen." Dieses "geübte Selbstbestimmungsrecht" sei letztlich auch der entscheidende Schritt hin zur Deutschen Einheit gewesen.

Anwesend waren auch etliche Gäste aus Österreich, die an einer vom SPD-Reiseservie und der "Wiener SPÖ Bildung" organisierten Berlin-Reise teilnahmen. Manfred Stolpe wies auf die besondere Rolle Österreichs beim deutschen Einigungsprozess hin, das nach dem Mauerfall als einer der ersten Staaten das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen anerkannt habe. Dafür gebühre den Österreichern Dank, so Stolpe.

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