„Sportopia“: Wie ein Festival an die erste Arbeiterolympiade erinnert
Vor 100 Jahren fand in Frankfurt am Main die erste Arbeiterolympiade statt. Das Sportfest „Sportopia“ in Neu-Isenburg will am kommenden Wochenende daran erinnern. Sportliche Leistungen stehen dabei nicht im Mittelpunkt.
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Gegenmodell zur bürgerlichen Olympiade: Bei der ersten Arbeiterolympiade 1925 in Frankfurt stand u.a. der Radsport im Mittelpunkt.
Es war eines der größten Sportereignisse der Weimarer Republik. Als vom 24. bis 28. Juli 1925 in Frankfurt am Main die erste Internationale Arbeiterolympiade stattfand, kamen im und rund um das eigens für die Spiele errichtete Waldstadion etwa 450.000 Menschen zusammen. 3.000 Sportler*innen aus zwölf Nationen traten u. a. im Schwimmen, beim Radsport oder in Leichtathletik-Wettkämpfen gegeneinander an. Auch Schach stand auf dem Turnierplan. Neben nationalen Rekorden wurden in der Woche auch einige Weltrekorde aufgestellt.
Die Arbeiterolympiade als Gegenmodell zu den Olympischen Spielen
„Bei uns ringen nicht Nationen gegeneinander, sondern Sportgenossen aller Länder miteinander“, beschrieb die eigens für die Arbeiterolympiade herausgegebene Zeitung „Olympia“ die Besonderheit der Veranstaltung. Denn im Gegensatz zu den 1896 vom französischen Adligen Pierre de Coubertin initiierten Olympischen Spielen der Neuzeit, sah sich die Arbeiterolympiade nicht bürgerlichen, sondern sozialistischen Idealen verpflichtet. „Wir haben alle denselben Feind: den Kapitalismus, der den Nationalismus erzeugt hat und an seinen Brüsten nährt“, schrieb „Olympia“ über die Teilnehmer*innen der Arbeiterolympiade.
„Die Arbeiterolympiade war das Gegenmodell zur bürgerlichen Olympiade“, erklärt Tilmann Ziegenhain den Gedanken. Er arbeitet in der Bundesgeschäftsstelle des „Rad- und Kraftfahrerbunds Solidarität“, kurz RKB Solidarität. Der Sportverband, in dem vor allem Hallenrad- und Rollsportler*innen organisiert sind, blickt auf eine Geschichte bis 1896 zurück und war in der Weimarer Republik mit mehreren hunderttausend Mitgliedern der größte Radsportverband der Welt. Heute gehören ihm knapp 40.000 Menschen an.
Austausch und Solidarität im Mittelpunkt
„Bei uns geht es nicht allein um die sportliche Leistung“, sagt Tobias Köck, einer der ehrenamtlichen Organisatoren des RKB. Mindestens ebenso wichtig wie Wettkampfergebnisse seien der Austausch unter den Sportler*innen und die Völkerverständigung. Um an die Arbeiterolympiade vor 100 Jahren zu erinnern und deren Gedanken weiterzutragen, veranstaltet der RKB Solidarität gemeinsam mit seinem Jugendverband, der „Solijugend“, und weiteren Kooperationspartnern am ersten Oktober-Wochenende deshalb ein eigenes Turnier: „Sportopia“.
Im „Sportpark Alicestraße“ in Neu-Isenburg südlich von Frankfurt finden unter anderem ein Fußballturnier (ohne Schiedsrichter*innen), Inline-Hockey-Wettkämpfe, ein Tanz-Wettbewerb und ein Radpolo-Turnier statt. „Sportopia ist aber kein gewöhnliches Sportfest“, sagt Tilmann Ziegenhain. An den drei Tagen gehe es neben Wettkämpfen und Bewegung darum, sich zu begegnen, zu diskutieren und sich zu erinnern. „Begleitet wird das Festival deshalb von einer internationalen Jugendbegegnung, bei der junge Menschen aus verschiedenen Ländern in Workshops, Turnieren und gemeinsamen Projekten zusammenkommen.“
Künftig regelmäßig bundesweite Sportwettkämpfe?
Im Sportpark gibt es neben den Wettkämpfen auch Workshops zu Antisemitismusprävention, Panels zu „Sport und Politik“, Filme und zwei historische Ausstellungen, darunter eine zur Geschichte der ersten Arbeiterolympiade. „Wir sind sehr gespannt und aufgeregt“, gestehen Köck und Ziegenhain. „So etwas wie Sportopia hat es bisher in Deutschland noch nicht gegeben.“ Dabei ist dem 46-Jährigen Köck wichtig, nicht nur zurückzuschauen. „Wir sollten den 100. Jahrestag der ersten Arbeiterolympiade zum Anlass nehmen, künftig regelmäßig Bundesspiele in unserem Verband zu veranstalten“, findet er.
Damit könnte auch an die kurze Geschichte der Arbeiterolympiaden angeknüpft werden. Nach der Premiere 1925 in Frankfurt fand 1931 noch ein Turnier in Österreich statt sowie 1937 eines in den Niederlanden. Deutsche Arbeiter-Sportler*innen waren da, vier Jahre nach der „Machtergreifung“ der Nazis, schon nicht mehr dabei. Die eigentlich für 1943 geplante vierte Arbeiterolympiade konnte wegen des Zweiten Weltkriegs nicht mehr stattfinden. Doch seit 2008 knüpfen die „World Sports Games“ des internationalen Arbeiter- und Amateursportverbandes CSIT an ihre Tradition an.
Weitere Informationen zu „Sportopia“ und das Programm unter: rkbsoli.org/sportopia
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.