Es war eine gezielte Provokation. Als am 7. Oktober 1989 in Berlin die Führung der DDR den 40. Gründungstag ihres Staates uns sich selbst feierte, traf sich nur einige Kilometer von der
Hauptstadt entfernt im brandenburgischen Schwante eine Gruppe mutiger Männer und Frauen und gründete die SDP - die sozialdemokratische Partei in der DDR.
"Diese Parteigründung war ein überaus kühnes Vorhaben, das auch hätte in einem Desaster enden könnten", unterstreicht der Historiker Bernd Faulenbach, der die Historische Kommission der SPD
leitet. Leicht hätte es aus seiner Sicht damals zu einer "chinesischen Lösung" kommen können - das Massaker der kommunistischen Staatsführung auf dem Platz des himmlischen Friedens am 4. Juni lag
erst wenige Monate zurück. "Der Sozialdemokratismus war in der DDR ein Strafbestand", erklärte Faulenbach bei der Festveranstaltung "20 Jahre Sozialdemokratie in Ostdeutschland" im Berliner
Abgeordnetenhaus.
Stark geprägt von Willy Brandt
"Mit der SDP gingen die Parteigründer deutlich über die übrige Oppositionsbewegung hinaus", so Faulenbach. "Sie stellten die Machtfrage." Eine Kontinuität zur Ost-SPD vor der
Zwangsvereinigung mit der KPD 1946 sei jedoch nicht zu erkennen. "Das sozialdemokratische Bild der SDP-Gründer war stark von der SPD unter Willy Brandt geprägt." Dies habe sich auch im
Parteiprogramm niedergeschlagen. Direkt habe die SPD aus der Bundesrepublik allerdings keinen Einfluss genommen. "Die Gründung der SDP ist vollkommen unabhängig von der SPD verlaufen."
Als "völlige Neugründung ohne Tradition" bewertete so auch der Politikwissenschaftler Richard Stöss die Vorgänge in Schwante. Die Ziele Demokratie und soziale Gerechtigkeit hätten die
beiden Parteien in Ost und West jedoch von Anfang an verbunden. Und gerade um diese sei es in letzter Zeit schlecht bestellt. "Die Linkspartei hat der SPD das Thema soziale Gerechtigkeit streitig
gemacht", so Stöss. Nun müsse überlegt werden, wie es zurück gewonnen werden könne.
Debatte über "das Richtige und das Korrekturbedürftige"
"Wir brauchen eine innerparteiliche Debatte über das Richtige und das Korrekturbedürftige", forderte Wolfgang Thierse, Vizepräsident des Deutschen Bundestags. Das Ergebnis der
Bundestagswahl habe er als "schallende Ohrfeige" für die SPD erlebt. Besonders der Blick auf die Ost-SPD habe ihn schockiert. "Die SPD liegt hier nur noch an dritter Stelle - hinter der
ehemaligen Herrschaftspartei und der Blockpartei CDU."
Dabei habe die SPD in Ostdeutschland eine Menge geleistet. Sie übernehme heute in vier von fünf ostdeutschen Bundesländern Regierungsverantwortung und habe den Vereinigungsprozess deutlich
geprägt. "Die Aufgaben des Aufbau Ost sind noch nicht erledigt", erinnerte Thierse. "Wir dürfen nicht nachlassen in unserem Engagement bei der Angleichung der Lebensverhältnisse."
Einer, der sich täglich dafür einsetzt, ist Martin Dulig, Fraktionsvorsitzender der SPD im sächsischen Landtag und designierter Parteichef im Freistaat. Er will mit der Erneuerung der
Partei ernst machen. "Wir brauchen andere Formen der Beteiligung", forderte er am Mittwochabend. "Ostdeutschland kann dafür ein gutes Laboratorium sein."
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