In Berlin erinnern eine Straße und ein Stolperstein an die von den Nazis ermordete sozialdemokratische Widerstandskämpferin Hilde Ephraim.
Zum Berliner Bahnhof Grunewald führt die Hilde-Ephraim-Straße. Mit ihr wird an eine antifaschistische Widerstandskämpferin erinnert, die schon vor dem November-Pogrom bedrängten Juden half und selbst zum Opfer wurde. Die junge Sozialdemokratin ist auf perfide Weise getötet worden: Nach drei Jahren Zuchthaus zermürbt, entkräftet und verwirrt, wurde sie in das Aktion T4 genannte Euthanasie-Programm der Nazis eingereiht und ermordet.
Hilde Ephraim ist am 1. April 1905 in Berlin geboren. Sie war Fürsorgerin – heute sagen wir: Sozialarbeiterin – in Brandenburg an der Havel und trat 1931 der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD/SAP), einer Abspaltung der SPD, bei. Für manche junge Sozialisten, die den Kurs der SPD in der Weimarer Republik kritisch sahen, war dieser Weg damals nicht ungewöhnlich, auch Willy Brandt war zeitweise SAP-Mitglied.
In Brandenburg zählte Hilde Ephraim zu den aktiven Köpfen der SAPD, sagte laut, was sie dachte und griff beherzt ein, wo sie konnte. Sie fiel auf und wurde wegen ihrer jüdischen Herkunft und ihrer Zugehörigkeit zur Sozialdemokratie aus dem städtischen Fürsorgedienst entlassen. Da sie in Brandenburg geächtet war nicht mehr Fuß fassen konnte, zog sie 1933 nach Berlin. Und schloss sich dem Untergrundkampf gegen die Nazis an. Sie war für die Rote Hilfe verantwortlich, die sich in der Illegalität um Familien von aus politischen Gründen Verhafteten kümmerte.
Im Untergrundkampf gegen Nazis
1936 geriet sie selbst in die Fänge der Geheimen Staatspolizei und wurde am 25. Juni 1937 vom Volksgerichtshof zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt. Sie war in Lübeck und Amberg eingesperrt, von den Schrecken der Pogromnacht am 9./10. November 1938 bekam sie nichts mit. Wie Hans-Rainer Sandvoß, stellvertretender Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand und Mitglied der Historischen Kommission der SPD, von einer Gefährtin Hilde Ephraims erfuhr, war die kleine, zarte Frau der Haft nicht gewachsen und so verzweifelt, dass sie Nahrung verweigerte und in geistige Umnachtung fiel. Daraufhin wurde sie in der Tötungsanstalt Hartheim bei Linz am 20. September 1940 umgebracht. Sie war 35 Jahre alt.
Am 1. April 2010, ihrem 105. Geburtstag, wurde nach Hilde Ephraim eine Straße in Berlin-Grunewald benannt, die vom Halensee zum Bahnhof Grunewald führt. Von dort wurden zwischen dem 18. Oktober 1941 und dem 27. März 1945 mehr als 50 000 Berlinerinnen und Berliner überwiegend jüdischer Herkunft in Züge getrieben und in Ghettos, Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert. Das berüchtigte Gleis 17, von dem die Züge in Richtung Osten abfuhren, ist heute ein Mahnmal.
Um das Andenken an diese unerschrockene und mutige Frau zu bewahren, deren Schicksal weithin unbekannt ist, hat die SPD Wilmersdorf-Nord am 9. April 2013 vor dem Haus Bayerische Straße 20, wo Hilde Ephraim zuletzt wohnte, einen Stolperstein verlegen lassen. So bleiben wenigstens die Daten dieser Widerstandskämpferin öffentlich sichtbar.
Mehr Informationen zur Pogromnacht vom 9. zum 10. November 1938: „Organisiertes Massenverbrechen". Ein zeitgenössischer Bericht über die Exzesse in Nazi-Deutschland vom 9. zum 10. November 1938.
Mehr Informationen unter http://archiv.spd-berlin.de
lebt als freier Publizist in Berlin. Er war Redakteur beim Kölner Stadt-Anzeiger, bei ddp, der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Rundschau sowie Sprecher des Berliner Senats und Unternehmenssprecher.