Hanseat und Weltbürger: Fotoausstellung würdigt das Leben von Helmut Schmidt
Am Donnerstagabend sind alle drei SPD-Bundeskanzler im Atrium des Willy-Brandt-Hauses versammelt. Die Statue von Willy Brandt steht auf ihrem angestammten Platz, die rechte Hand leicht erhoben. Helmut Schmidt ist in unterschiedlichsten Situationen seines Lebens auf mehr als 100 Fotos zu sehen. Und Gerhard Schröder sitzt an einem Tisch und hört Olaf Scholz zu.
Ein bewegtes Leben in Fotos
„In seinem Denken und Handeln war Helmut Schmidt immer ein Hamburger Sozialdemokrat“, sagt der Bundesfinanzminister und frühere Erste Bürgermeister der Hansestadt. Kein Wunder, dass Hamburg eine große Rolle spielt auf den 30 Ausstellungstafeln, die im Atrium des Willy-Brandt-Hauses aufgestellt wurden. Auf großformatigen Fotos und in Zitaten – größtenteils von Schmidt selbst, zum Teil auch von Weggefährten – werden das Leben und Wirken des Hanseaten gezeigt. Anlass der Ausstellung ist Schmidts 100. Geburtstag am 23. Dezember
„Helmut Schmidt nur als Macher und Pragmatiker zu sehen, greift zu kurz“, weiß Olaf Scholz. Die Ausstellung, konzipiert vom Hamburger Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ und präsentiert vom Freundeskreis des Willy-Brandt-Hauses, zeigt Schmidt daher auch als „Partner“ und „Vater“. Mit Ehefrau Loki und Hund Jaspis ist er auf den Tafeln unter der Überschrift „Der Haus-Herr“ zu sehen. Das Haus im Hamburger Stadtteil Langenhorn hatten die Schmidts auf Kredit gekauft. „Zum Ende seiner Kanzlerschaft war der noch nicht abbezahlt“, weiß Olaf Scholz.
„Ein politisches Erbe, von dem wir heute profitieren“
Auch er selbst sei häufiger bei den Schmidts zu Gast gewesen. Eine halbe Stunde dauere die S-Bahn-Fahrt vom Hauptbahnhof „plus zehn Minuten Spaziergang durchs Grüne“. Im Arbeitszimmer hätten sie dann über die Weltpolitik und die SPD gesprochen. Helmut Schmidt sei „die zentrale Persönlichkeit“ gewesen, die Deutschland in einer krisengeschüttelten Welt „zu einem maßgeblichen und geschätzten Partner“ aufgebaut habe. „Er hat ein politisches Erbe hinterlassen, von dem wir heute noch profitieren.“
So sei der gerade zur Disposition gestellte INF-Vertrag zwischen den USA und Russland maßgeblich „der Vorarbeit und Voraussicht Helmut Schmidts“ zu verdanken. Mit der Unterzeichnung 1988 sei „eines der gefährlichsten Kapitel des Kalten Kriegs“ beendet worden. Insofern sei Schmidts 100. Geburtstag auch eine Mahnung, dass „die kooperative Sicherheit“ gefährdet sei.
Der erste Weltwirtschaftspolitiker
„Helmut Schmidts Idee war, dass man Verabredungen treffen muss“, betont Olaf Scholz auch im anschließenden Gespräch mit der Spiegel-Redakteurin Christiane Hoffmann. Auch deshalb habe er auf regelmäßige Treffen der führenden Wirtschaftsnationen gedrungen: Das erste fand 1975 im französischen Rambouillet als G6-Gipfel statt. Später wurde daraus der G7- dann G8-Gipfel. „Schmidt war der erste Weltwirtschaftspolitiker“, sagt Scholz.
Dabei war der fünfte Bundeskanzler während seiner Amtszeit durchaus umstritten. Besonders mit seiner Haltung zum Nato-Doppelbeschluss brachte Schmidt Teile der Bevölkerung – und auch der SPD – gegen sich auf. Die Ausstellung würdigt diesen Teil seines Lebens auf Tafeln mit den Überschriften „Der Wehrhafte“ und „Der Abkanzler“.
Was die Menschen heute mit Schmidt verbinden
Nach der Kanzlerschaft wandelte sich das Schmidt-Bild in der Bevölkerung rasant. Als „Elder Statesman“ galt er vielen Deutschen bis zu seinem Tod im November 2015 als moralische Instanz. Eine Umfrage im Jahr 2012 kürte Schmidt zum größten Vorbild der Deutschen. Klar, dass zwei Tafeln der Ausstellung dem „Vorbild“ gewidmet sind. „Attitüde allein reicht nicht, es kommt auf Substanz an. Das ist das, was die Menschen auch heute noch mit Helmut Schmidt verbinden“, erklärt Olaf Scholz den Grund für die Popularität.
Bleibt der häufig wiederholte Vorwurf, Schmidt sei „ein guter Mann, aber in der falschen Partei“ gewesen. Was daran sei, will Christian Hoffmann von Olaf Scholz wissen. „Helmut Schmidt war ein ganz authentischer Sozialdemokrat“, sagt Scholz und lächelt. Wie Schmidt selbst zu dem Vorwurf stand, ist übrigens in der Ausstellung nachzulesen.
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Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.