Brandt wollte einen Kranz niederlegen, doch zur Überraschung aller Anwesenden kniete er nieder. "Das war so nicht geplant", erinnert sich Bundesminister a.D. Egon Bahr und Freund Willy
Brandts: "Plötzlich wurde es ganz still. die Menschen um mich herum flüsterten: Er kniet!"
Für ein weltoffenes Deutschland
Dieses Ereignis hat sich "für immer in das kollektive Gedächtnis Deutschlands fest eingebrannt", sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel am Montag in Berlin bei der Veranstaltung "Die Ostverträge -
Ein Meilenstein auf dem Weg zu einem freien Europa". Gabriel erinnerte 40 Jahre nach diesem historischen Ereignis daran, dass dieses Eingeständnis historischer Schuld damals kontrovers diskutiert
wurde. So habe die damals christdemokratische Opposition Brandt einen "Ausverkauf deutscher Interessen" bis hin zum Landesverrat vorgeworfen.
Der SPD-Vorsitzende würdigte Willy Brandt als Wegbereiter der deutschen Einheit. Dass die deutsche Einheit so friedlich verlaufen sei, habe auch mit dem Kniefall Brandts und der darin "zum
Ausdruck kommenden Haltung eines weltoffenen und friedlichen Deutschlands" zu tun.
Heute müsse diese emphatische Politik der ausgestreckten Hand fortgesetzt werden, um in Zeiten der Re-Nationalisierung der Europäischen Idee neuen Fortschritt zu verleihen, erklärte
Gabriel. Statt gemeinsam die Ursachen der aktuellen Finanz- und Währungskrise anzugehen, "zwingt vor allem Deutschland die europäischen Mitgliedsstaaten in einen Sparwettlauf gegen seine eigenen
Bürgerinnen und Bürger", kritisierte Gabriel und warb zugleich für eine Modernisierungspartnerschaft mit Russland. Ziel müsse ein atomwaffen- und massenvernichtungswaffenfreies Europa sein.
Europas Politik der kleinen Schritte
Der ehemalige Ministerpräsident und Außenminister Wlodzimierz Cimoszewicz betonte, dass Brandts Besuch in Polen eine große Rolle gespielt habe. Seine Geste habe "Vertrauen geschaffen, wo
kein Vertrauen war". Auch habe man Russland als strategischen Partner angenommen. Nun sei es wichtig, die Methode der kleinen Schritte fortzusetzen. "Lassen sie uns nach Deals und Lösungen
suchen, die gemeinsame Interessen schützen, um Vertrauen zu entwickeln."
Valentin Falin, ehemaliger Botschafter der UDSSR in der Bundesrepublik Deutschland, erwiderte mit einem Zitat Goethes: "Es sei unmöglich immer ein Held zu sein, aber möglich Mensch zu
bleiben." In diesem Sinne stimmte er Cimoszewicz zu. Es ei möglich, korrekte Lösungen zu finden, "wenn man nicht Held spielen muss". Denn Sackgassen fielen nicht vom Himmel, sondern seien
Produkte von Menschen, sagte er.
Obama braucht mehr Unterstützung
Auch wenn die philosophische Weitsicht Falins beeindruckend sei, sagte Egon Bahr, "empfehle ich abzuwarten." Wir seien Gefangene eines Ergebnisses vom 2. November, fügte er hinzu. Mit der
Wahlniederlage Barack Obamas stehe Vieles auf dem Spiel, denn die Republikaner hätten ein Interesse zu verhindern, dass Obama 2012 wiedergewählt werde. "Sie könnten damit den ganzen Fortschritt
der Welt anhalten, wenn sie das Abrüstungsabkommen von Obama und Medwedew ablehnen, ein Drittel der strategischen Atomwaffen abzuschaffen", betonte er.
"Obama braucht mehr Unterstützung von den europäischen Partnern", forderte Hans-Dietrich Genscher, Bundesaußenminister a.D.. "Als große Verbündete der USA müssen wir uns in die Außenpolitik
einmischen und für die Ratifizierung des Vertrags kämpfen", fügte er hinzu.
Die Ostpolitik Willy Brandts sei ein Meilenstein auf dem Weg zu einem vereinten Europa, ist der Europa-Politiker Martin Schulz, Moderator der Podiumsdiskussion, überzeugt. "Europa muss zu
einer friedlichen Welt beitragen, die nicht friedlich ist", sagte er und zitierte Willy Brandt mit den Worten: "Nichts kommt von selbst. Und nur wenig ist von Dauer."
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.