Vielen sind Montagsdemos als Protest gegen Hartz IV ein Begriff. Doch ihren historischen Ursprung haben sie in der Deutschen Demokratische Republik, als Hunderttausende eine erneuerte DDR
forderten. Einer der Hauptprotagonisten dieser Bewegung war der evangelische Pfarrer Christian Führer.
Führer wuchs sehr behütet und in einem christlichen Elternhaus in Langenleuba-Oberhain (Sachsen) auf. Sein Vater - seinerseits Pfarrer -musste im Nationalsozialismus als Militärgeistiger in
der Armee dienen. Er geriet in britische Gefangenschaft und kam erst nach Jahren wieder frei. Für den Sohn wurde er ein großes Vorbild. Kein Wunder, dass Christian Führer ebenfalls Pfarrer werden
wollte. Viele erstaunte diese Berufswahl, waren die Geistlichen in der DDR doch nicht selten Repressionen des Staates ausgesetzt.
Führer ließ sich nicht beirren. Mehrere Jahre war er Dorfpfarrer in seiner Heimatgemeinde. An die Nikolaikirche in Leipzig berufen setzte er dort sein geistiges Wirken fort. Er engagierte
sich unter anderem für die Friedensbewegung und für Bürgerinnen und Bürger, die an den gesellschaftlichen Rand gedrängt worden waren.
Freiheit und Toleranz
Im Zuge der Friedensbewegung wurde eine jährliche Friedensdekade initiiert: Christen und Interessierte versammelten sich zehn Tage lang, um über Frieden und Gerechtigkeit zu reden,
nachzudenken und zu beten. Einem Diakon aus einer jungen Gemeinde am Stadtrand Leipzigs war das zu wenig. Er meinte, es reichte nicht nur einmal im Jahr Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung
der Schöpfung einzufordern. Fortan gab es die Friedensgebete jeden Montag, so der Autor.
Immer mehr Gemeinden und außen stehende Gruppen schlossen sich an. Die Nikolaikirche wurde zu einer Insel der Freiheit und Toleranz für die "Stummen und Bedrängten". Hier konnte die Meinung
frei geäußert werden. Doch schon im Kirchhof war damit häufig Schluss, denn Stasi und Polizei gingen gewaltsam gegen die friedlichen Demonstranten vor. Es kam zu willkürlichen Verhaftungen. Doch
Christian Führer und andere ließen sich nicht entmutigen und kämpften - gemäß der Bergpredigt Jesu - gewaltfrei weiter für eine reformierte DDR. Ihr Einsatz gipfelte in der Massendemonstration am
9. Oktober 1989. Die Bevölkerung lehnte sich friedlich gegen ein marodes und moralisch längst bankrottes Regime auf - mit Erfolg.
Auch nach dem Fall der Mauer setzte sich Christian Führer für die Armen und Schwachen ein. Er brandmarkt den Raubtierkapitalismus, die Gier der Manager, den Konsumrausch und die damit
einhergehende Verschuldung der Menschen. Er engagiert sich für die Erwerbslosen und unterstützt diverse Bemühungen, um Arbeitsplätze zu erhalten.
Glaube und Nächstenliebe
Auf die Frage, ob es heute noch Friedensgebete gebe, antwortet der Pfarrer in seinem Buch: "Warum sollte es heute keine Friedensgebete mehr geben? Ist die Welt etwa friedlicher geworden?
Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung: All das haben wir heute nötiger als je zuvor."
Von der ersten Seite an schlägt das Buch die Leser in seinen Bann. Flüssig und sehr anschaulich schildert der sächsische Pfarrer seine Lebensgeschichte. Sein Werk ist ein beeindruckendes
Zeitdokument, zeigt es doch wie gelebtes Evangelium, lebendiger Glaube und Nächstenliebe aussehen. Begeistern wird es christlich Gesinnte und an der christlichen Religion Interessierte.
Christian Führer, Und wir sind dabei gewesen. Die Revolution, die aus der Kirche kam, Ullstein Buchverlag, 19,90 Euro, 335 Seiten, ISBN 978-3-550-08746-2
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Ich studiere Kulturwissenschaften an der Europauniversität Viadrina in Frankfurt (Oder) mit den Schwerpunkten Kulturgeschichte und Sozialwissenschaften. Ich lerne dort ebenfalls Englisch und Spanisch. In meiner Freizeit bin ich "ganz normal" wie andere auch: Ich spiele Fußball, gehe gerne weg oder verbringe Zeit mit meinen Freunden.