125 Jahre IG Metall: Der Streit um die gute Arbeit in den Betrieben
Erinnern Sie sich noch an das rote Plakat mit der gelben Sonne und der Forderung nach einer 35-Stunden-Woche? In den 80ern zierte das Bild als Aufkleber so manche Auto-Heckklappe und als Button die eine oder andere Brusttasche am Männerhemd.
Kampf um kürzere Arbeitszeiten
Steigende Arbeitslosigkeit auf der einen und wachsende Produktivität auf der anderen Seite führten damals bei den DGB-Gewerkschaften zu der Forderung, die Arbeitszeit zu verkürzen. Die IG Metall wollte eine Umverteilung der vorhandenen Arbeit und zugleich ihre Humanisierung. Mit Erfolg: In der westdeutschen Metallindustrie gilt die 35-Stunden-Woche seit 1995.
Einige erinnern sich vielleicht auch noch an den Slogan „Samstag gehört Vati mir“, der in den 50er Jahren große Popularität erlangte. Die Forderung – auf dem Plakat von einem kleinen Jungen ausgerufen – symbolisierte den Kampf um die 5-Tage-Woche, die in den 60er Jahren durchgesetzt werden konnte.
Kampagne für mehr selbstbestimmte Arbeitszeit
Neben dem Kampf um mehr Lohn und Mitbestimmung, einem besseren Gesundheitsschutz oder auch um die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zieht sich das Ringen um die Verkürzung der Arbeitszeit wie ein roter Faden durch die Geschichte der Industriegewerkschaft Metall, die in diesem Jahr ihr 125-jähriges Bestehen feiert. So ist die aktuelle Arbeitszeitkampagne „Mein Leben – meine Arbeit“ eine Antwort auf die Forderung nach ständiger Erreichbarkeit und Flexibilität im Zuge der Digitalisierung der Arbeitsprozesse.
„In Zukunft wird die Neuausrichtung der Arbeitszeitpolitik eine wichtige Rolle spielen – Zeit in der Arbeit, Zeit für das Leben" erklärte der IG Metall-Chef Jörg Hofmann vergangenen Samstag bei einem Festakt zum 125-jährigen Jubiläum in der Frankfurter Paulskirche. Hofmann plädierte für ein Mehr an selbstbestimmter Arbeitszeit, die Platz gibt für individuelle Anforderungen wie Kindererziehung, Pflege oder berufliche Weiterbildung. Das Jubiläumsjahr wolle man dazu nutzen, um aufzuzeigen, wofür die IG Metall stehe und welchen Werten sie sich verbunden fühle, betonte er.
125-Jahre: Ausstellung in Berlin
Im Berliner IG Metall-Haus macht derzeit eine Ausstellung die bewegte Geschichte anschaulich. Sie dokumentiert das Entstehen im Juni 1891 nach Aufhebung der Sozialistengesetze, als sich der Allgemeine Deutsche Metallerverband (DMV) auf dem Metallarbeiterkongress in Frankfurt am Main gründete. Sie durchstreift das Kaiserreich und die revolutionären Unruhen der Weimarer Republik bis zum Verbot der Gewerkschaft durch die Nationalsozialisten am 2. Mai 1933.
1945 entsteht die IG Metall als Nachfolgeorganisation des DMV in Westdeutschland und auf dem Gebiet der späteren DDR, ab 1990 vertritt die IG Metall die Mitglieder aller Beschäftigten der Metallindustrie.Ein weiterer Schwerpunkt der Ausstellung gilt der Mitbestimmung.
Streitlustig und kämpferisch: Was der Vorwärts über die Gründung 1891 schrieb
Streitlustig waren die Kollegen schon damals. Das zumindest lässt sich den ausführlichen Beiträgen entnehmen, die der „Vorwärts“ in seinen Ausgaben vom 3. und 5. Juni 1891 dem Metallarbeiter-Kongress widmete: So heißt es beispielsweise über den zweiten Verhandlungstag: „Der gestrige und heutige Tag war dem uralten Kampfe um die beste Form der Organisation geweiht. Es rast der See und will sein Opfer haben. Obgleich auf dem ersten Verhandlungstage ausdrücklich beschlossen wurde, bei der Diskussion über die Thätigkeit der Vertrauensmänner die Organisationsfrage nicht zu berühren, brannten die Redner förmlich vor Begierde, zur Organisation Stellung zu nehmen, so daß die Versammlung schließlich gezwungen war, ihren ersten Beschluß aufzuheben und die Organisationsfrage mit der Diskussion über die Thätigkeit der Vertrauensmänner zu verbinden. An und für sich wäre dies kein Fehler gewesen, wenn sich nicht wieder bei dieser Gelegenheit recht drastisch gezeigt hätte, daß die Arbeiter aus ihren Parlamenten noch Vieles zu reformiren haben. Es kommt oft genug nur auf die Fixigkeit an, mit der die Meldungen zum Wort geschehen, ob und in welchem Umfange ganze Industriezentren Gelegenheit erhalten, ihren Standpunkt dazulegen.
So sprachen gestern fünf Hamburger Delegirte, die in Stunden langen Ausführungen immer wieder dieselben Argumente wiederholten, was schließlich eine solche Verstimmung hervorrief, daß bei der mit gewaltiger Lungenkraft zum Besten gegebenen Rede des letzten Hamburger Delegirten Junge, die Hälfte der Delegirten demonstrativ den Saal verließ und auch die Mehrzahl der Zurückbleibenden den Ausführungen des Redners nicht die geringste Aufmerksamkeit schenkte. ...{sic}“
Mit knapp 2,3 Millionen Mitgliedern ist die IG Metall die größte Einzelgewerkschaft Deutschlands und weltweit die größte organisierte Arbeitnehmervertretung. Neben den Beschäftigten aus den Branchen Stahl, Textil/Bekleidung und Holz/Kunststoff vertritt sie in erster Linie die Arbeitnehmer der Metall- und Elektroindustrie.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.