Debatte

Warum die Debatte über Ungleichheit in Deutschland wichtig ist

Deutschland ist ein starkes Land, zumindest nach außen. Im Innern jedoch brodelt es. Schuld daran ist eine wachsende soziale Ungleichheit, gefühlt wie real. Eine Bestandsaufnahme:
von Robert Kiesel · 16. Juni 2016
Die Schere zwischen arm und reich
Die Schere zwischen arm und reich

Kein Zweifel: In einem von wirtschaftlichen Krisen aufgewühlten Europa ragt Deutschland wie ein Fels aus der Brandung. Die Wirtschaft wächst, die Beschäftigungsquote steigt. Zusätzlich dürfen sich Bund und Länder über sprudelnde Steuereinnahmen freuen. Aus internationaler Perspektive scheint alles im Lot, wenn auch auf Kosten einiger Sympathiepunkte in den durch die Austeritätspolitik teilweise arg in Bedrängnis gebrachten Staaten im Süden der EU.

Wachsende Ungleichheit ist gefährlich

National betrachtet jedoch brodelt es. So sind mehr als 80 Prozent der Deutschen davon überzeugt, dass die sozialen Ungleichheit in Deutschland mittlerweile zu groß ist. Drei Viertel der Befragten erkennen darin eine Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Zudem sehen internationale Organisationen wie der Internationale Währungsfonds (IWF) oder die Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) die wachsende soziale Ungleichheit als eine der größten politischen Herausforderungen für die Zukunft an. Dabei reift die Einsicht, dass sich große soziale Ungleichheit nicht nur negativ auf den sozialen Zusammenhalt einer Gesellschaft auswirkt, sondern auch einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung schadet.

Tatsächlich sprechen die Zahlen zur sozialen Ungleichheit in Deutschland eine klare Sprache. DIW-Chef Marcel Fratzscher hat sie für sein Buch „Verteilungskampf“ zusammengefasst: Demnach verfügt das reichste Prozent der deutschen Bevölkerung über 30 Prozent des gesamtgesellschaftlichen Nettovermögens.  Die ärmere Hälfte der Bevölkerung verfügt dagegen praktisch über kein Nettovermögen. Darüber hinaus verliert die Hälfte aller Arbeitnehmer in Deutschland seit 15 Jahren real an Kaufkraft.  15 Prozent der Bevölkerung leben in Armut.

Bürger und Kommunen: Gefangen im Teufelskreis

Ungleichheit manifestiert sich dabei nicht nur sozial, sondern auch regional: So werden in Bezug auf Einkommen und Vermögen ganze Regionen sprichwörtlich abgehängt. Gerade die Gegenden im Osten und Norden Deutschlands verlieren den Anschluss an Regionen im Süden. „Sie sind nicht in der Lage, sich eigenständig aus dieser Lage zu befreien, und es wird von Jahr zu Jahr schwieriger“, so der Befund des Sozioökonomischen Disparitätenberichts 2015 der Friedrich-Ebert-Stiftung. Stattdessen seien Kommunen zunehmend in einem „Teufelskreis aus Verschuldung, Wachstumsschwäche, Arbeitslosigkeit und Abwanderung gefangen“.

Während die Befunde zur wachsenden sozialen Ungleichheit in Deutschland nahezu einhellig ausfallen – jüngster Ausreißer ist eine Studie des Ifo-Instituts mit gegenteiliger Aussage – zeichnen sich die Vorschläge zur Begegnung einer wachsenden sozialen Ungleichheit durch ihre Vielfalt aus. Die Palette reicht über Reformen des Steuerrechts und Erhöhungen des Mindestlohns über Mahnungen zur Solidarität bis hin zu Maßnahmen wie der Einführung einer Bürgerversicherung.

Gerechtigkeit und Wohlstand für alle

Mit unserer Debatte „Wie die SPD für mehr Gerechtigkeit sorgen kann“ wollen wir die Diskussion kanalisieren und moderieren. Auf dass Ansätze debattiert werden, die das ureigene Anliegen der SPD, Gerechtigkeit und Wohlstand für alle zu schaffen, wieder näher rücken lassen.

Autor*in
Robert Kiesel

war bis März 2018 Redakteur des vorwärts.

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