Inklusion erfordert barrierefreies Wohnen
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Menschen mit Behinderungen mit unteren und mittleren Einkommen und Renten sind auf barrierefreien und bezahlbaren Wohnraum angewiesen. Sie sind derzeit besonders betroffen von hohen Steigerungen der Miet- und Mietnebenkosten. Hinzu kommt eine zunehmende Konkurrenz am Wohnungsmarkt mit Hartz IV Empfängern, sozial schwachen Familien, Alleinerziehenden, Studierende, Migranten. Eine erhebliche Verschärfung wird eintreten, wenn die Unterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen nicht schnell und ausreichend gelöst wird. Politiker und gesellschaftliche Gruppen müssen dafür zu sorgen, dass nicht eine bedürftige Personengruppe bei der Versorgung mit Wohnraum gegen eine andere ausgespielt wird.
Lücke zwischen Anspruch und Realität
Die in der Bundesrepublik seit 2009 ratifizierte UN Behindertenrechtskonvention (BRK) verlangt in Art. 19 die unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft. Menschen mit Behinderungen müssen Ort und Form von Wohnung und Wohnumfeld frei und gleichberechtigt wählen können. Dies gilt auch für ihre Entscheidung, mit wem sie zusammenleben wollen.
Auch müssen sie weiterhin Zugang zu den notwendigen sozialen Unterstützungsleistungen - vor allem bei der medizinischen Versorgung sowie der Pflege haben. Allerdings klafft eine große Lücke zwischen Anspruch und Realität. Insbesondere Menschen mit hohem Hilfebedarf werden aus Kostengründen regelmäßig auf eine Unterbringung in einer Einrichtung verwiesen, anstatt ihnen das von ihnen gewünschte Leben in der eigenen Wohnung mit Assistenzleistungen zu ermöglichen.
Mehr sozialer Wohnraum
Das Angebot an bezahlbaren barrierefreien Wohnraum muss erhöht werden. Wir brauchen Transparenz über die Versorgung mit barrierefreiem Wohnraum bis in die regionale und lokale Ebene. Nach offiziellen Schätzungen besteht derzeit bereits eine Versorgungslücke von mehr als einer Million Wohnungen. Außerdem muss die gesetzliche Mietpreisbremse verbessert werden. Ausnahmen sollten eingeschränkt und zulässige Mietsteigerungen reduziert werden. Das Wohngeld für Menschen mit Behinderungen sollte bedarfsgerecht angehoben werden. Weiterhin sind bei Hartz IV Leistungen Mehrbedarfe der Wohnfläche infolge von Behinderungen und Barrierefreiheit in den Richt-Sätzen für die Kosten der Unterkunft (KdU) zu berücksichtigen.
Betroffene mit einbeziehen
Abgeschafft werden muss die Verpflichtung, die mit öffentlicher Finanzierung vorgenommenen Investitionen zur Barrierefreiheit bei Auszug auf eigene Kosten wieder zurückzubauen. Und es empfiehlt sich, die finanziellen Eingliederungsleistungen für behinderte Menschen an den steigenden Bedarf bei eigenem Wohnraum in den anstehenden Reformen zum Bundesteilhabegesetz auszuweiten.
Dringend muss der soziale Wohnungsbau wiederbelebt werden. Zu berücksichtigen ist dabei eine Quotierung bei Neubau nach klaren gesetzlichen Vorgaben unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Formen von Behinderungen. Unabhängige Sachverständige sollten die Planung begleiten, wirksame Kontrollen einschließlich Sanktionen eingeführt werden.
Und zu guter letzt müssen die Verbände der Behinderten in Planung und praktische Umsetzung bei Neu- und Umbau barrierefreier Wohnbereiche einbezogen werden.
Dr. Ursula Engelen-Kefer leitet den Arbeitskreis Sozialversicherung im Sozialverband Deutschland. Von 1990 bis 2006 war sie stellvertretende Vorsitzende des DGB.