Debatte

Gewalt darf nicht die Antwort sein

Es ist jetzt die Stunde der Diplomatie und der Politik, nicht aber der Waffen und der Militärs. Gewalt gebiert neue Gewalt, schafft aber keine Lösung.
von Renke Brahms · 30. November 2015
Zeichen des Friedens: Demonstranten vor dem Friedendenkmal im französischen Caen nach den islamistischen Terroranschlägen von Paris im November 2015
Zeichen des Friedens: Demonstranten vor dem Friedendenkmal im französischen Caen nach den islamistischen Terroranschlägen von Paris im November 2015

Es ist keine leichte Zeit für den Frieden. Überall in der Welt erleben wir Konflikte, Kriege oder Terror. Gerade die Bilder aus dem Nahen Osten mit den Verbrechen des sogenannten Islamischen Staates machen sprachlos und wütend. Und die Toten von Paris lassen uns spüren, dass der Terrorismus auch uns ganz direkt betrifft. Die Anschläge in der französischen Hauptstadt galten nicht nur den Opfern in Paris, sie galten der ganzen Welt. Und sie sorgen für Unsicherheit und Besorgnis bei vielen Menschen.

Doch so schlimm die Bilder auch sind, so verständlich die Wut über solche Mordanschläge ist, genauso wichtig ist es, dass wir nun nicht hereinfallen auf vermeintliche Zeichen der Stärke, der Macht oder der Gewalt. Gewalt kann und darf nicht die Antwort sein. Die Geschichte hat uns gelehrt: Keine Macht der Welt, keine Ideologie, keine Armee hat je Frieden gebracht.

Wir befinden uns nicht im Krieg

Wir befinden uns in keinem Dritten Weltkrieg und auch nicht in einem Krieg der Kulturen, sondern wir erleben derzeit eine neue Dimension des Terrorismus. Und weil es kein Krieg ist, sehe ich auch keinen Nato-Bündnisfall. Da sollten wir sehr zurückhaltend sein. Natürlich müssen wir solidarisch sein mit Frankreich. Aber in dieser Solidarität geht es darum, die Bemühungen um politische Lösungen zu verstärken. Die Syrienkonferenz in Wien ist ein erster wichtiger Schritt. Auch die Vereinten Nationen sind gefordert. Auf Staaten, die den IS unterstützen, muss politischer Druck ausgeübt werden. Die Finanzquellen, die den IS fördern, müssen ausgetrocknet werden. Und wenn es darum geht, Grenzen zu schließen, dann sollten Grenzen für Waffen und den Handel mit dem IS dicht gemacht werden. Es ist jetzt die Stunde der Diplomatie und der Politik, nicht aber der Waffen und der Militärs.

Ich werbe ganz eindringlich dafür, jetzt verbal abzurüsten und nicht in eine Kriegsrhetorik zu verfallen. Auch vor den Militäreinsätzen in Afghanistan und im Irak haben wir erlebt, wie eine solche Rhetorik eskaliert ist, mit dramatischen Folgen. Und die Situation in diesen Ländern hat sich trotz jahrelanger militärischer Einsätze nicht verbessert, sondern oft noch verschlimmert. Die Taliban sind in Afghanistan weiterhin aktiv. Und die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) ist eine direkte Folge des Eingreifens der „Koalition der Willigen“ im Irak. Denn Soldaten des irakischen Diktators Saddam Hussein sind in die Wüste geschickt worden, ohne sie vorher zu entwaffnen. Viele haben sich dem IS angeschlossen. Und eine schlechte Regierungsführung im Irak nach dem Sturz Husseins hat dies noch unterstützt. Aus diesen Erfahrungen müssen wir lernen.

Geben wir ein Zeichen der Liebe statt des Hasses

Wenn wir nun mit Waffen auf den barbarischen Akt von Paris reagieren würden, tun wir genau das, was diese Terroristen wollen. Und ich befürchte, dass dies eine neue Spirale der Gewalt auslösen würde. Denn Gewalt gebiert neue Gewalt. Aber sie schafft keine Lösung. Stattdessen ist es nun wichtig, diesen Terroristen deutlich zu machen, dass Menschlichkeit, Freiheit und Frieden stärker sind als sinnlose Gewalt. Geben wir ein Zeichen der Liebe statt des Hasses. Setzen wir auf das Gespräch mit friedliebenden Muslimen statt auf Ausgrenzung. Lassen wir uns nicht von Wut und Rachegefühlen beherrschen, sondern lasst uns zu einem Werkzeug des Friedens werden, in dem wir Lichter anzünden, wo die Dunkelheit regiert. Das ist die richtige Antwort auf den Hass und den Terror, den der sogenannte „Islamische Staat“ in Europa zu verbreiten sucht.

Evangelische Friedensarbeit ist geprägt vom Ziel des gerechten Friedens. Dabei geht es um ein breites Verständnis von Frieden, um den Zusammenhang von Frieden, Gerechtigkeit und Recht, den Vorrang des Zivilen und die Stärkung gewaltfreier Konfliktbearbeitung. Und das bedeutet, dass wir auch in dieser Zeit des IS-Terrors den Blick auf frühzeitige Prävention und zivile, politische und diplomatische Lösungen nicht aus den Augen verlieren dürfen.

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Renke Brahms

ist Friedenbeauftragter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

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