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Wie Journalisten der AfD zum Erfolg verhelfen

Obwohl die Politiker der AfD ständig über die „Lügenpresse“ schimpfen, wäre ihre Partei nichts ohne die Medien. Die Rechtspopulisten leben von der Provokation – viele Journalisten machen mit. Manche stellen sich sogar direkt in den Dienst der AfD.
von Paul Starzmann · 19. Juli 2017

Es gibt viele Begriffe, mit denen die Politiker der AfD auf „die Medien“ schimpfen. Am berühmtesten ist wohl der Ausdruck „Lügenpresse“ – ein Wort, das schon von den Nationalsozialisten, aber auch zu DDR-Zeiten verwendet wurde.

Will die AfD die Pressefreiheit abschaffen?

Der Publizist und Journalistik-Professor Bernd Gäbler hat nun im Auftrag der gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung (OBS) das Verhältnis zwischen AfD und Medien untersucht. Bereits im Vorwort des OBS-Geschäftsführers Jupp Legrand wird deutlich, wie wenig manche in der AfD von der Pressefreiheit halten: So zitiert Legrand aus einem inzwischen berüchtigten WhatsApp-Chat der AfD in Sachsen-Anhalt, der Mitte Juni an die Öffentlichkeit gelangt war. „Mit der Machtübernahme“, schrieb damals ein Chat-Teilnehmer, „muss ein Gremium alle Journalisten überprüfen und sieben, Chefs sofort entlassen, volksfeindliche Medien verbieten“.

Das Verhältnis mancher AfD-Mitglieder zur Pressefreiheit scheint also schwer gestört zu sein. Die pauschale Medienschelte aus den Reihen der Rechtspopulisten erweckt zudem den Eindruck, AfD und Journalisten stünden generell auf Kriegsfuß. Die neue OBS-Studie zeigt jedoch, dass die Beziehung zwischen Medien und AfD komplizierter ist.

AfD: „Partei der Journalisten“

Die AfD sei heutzutage eine „Partei der Journalisten“, schreibt Gäbler. Das überrascht angesichts des AfD-Geredes von der „Lügen-“ oder „Pinocchio-Presse“. Dennoch: Die Studie identifiziert eine ganze Reihe an ausgebildeten Journalisten, die sich aus freien Stücken in den Dienst der AfD begeben haben. Zum Beispiel der ehemalige Bild-Redakteur Nikolaus Fest, über den es heißt: „Der promovierte Jurist war Kulturchef der Bild-Zeitung, dann in der Chef-Redaktion der Bild am Sonntag (BamS) für Sonderaufgaben zuständig, bis er feststellte, dass der Islam keine Religion sei, sondern eine totalitäre Bewegung, die mit der Schließung aller Moscheen eingedämmt werden müsse.“

Doch nicht nur vom journalistischen Boulevard, auch aus den seriöseren Verlagshäusern habe es in den vergangenen Jahren Journalisten in die AfD gezogen, bilanziert Gäbler. Darunter AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland, einst Herausgeber der „Märkischen Allgemeinen“ und Kolumnist beim Berliner „Tagesspiegel“. Oder AfD-Gründungsmitglied Konrad Adam, der für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und die „Welt“ tätig war. Ebenfalls früher bei Springers „Welt“: Günther Lachmann, bis Anfang 2016 für die Berichterstattung über die AfD zuständig. Laut Gräber habe Lachmann damals nicht nur über die AfD geschrieben, sondern der Partei sogar seine Zusammenarbeit angeboten. Er habe dabei helfen wollen, ein rechtes Manifest zu verfassen. „Welt“-Chef Stefan Aust habe daraufhin Konsequenzen gezogen: Er schmiss Lachmann aus der Redaktion.

Empörung ist nicht die beste Reaktion

Die neue OBS-Studie zeigt, dass nicht nur AfD-nahe Journalisten den Rechten einen Dienst erweisen. Auch unabhängige Journalisten spielten der AfD oft in die Hände: Auf der Suche nach einer guten Story seien viele Medienschaffende bereit, auf die Provokationen der Rechten einzugehen. Journalisten setzten in ihren Geschichten oft auf „Emotionalisierung und Personalisierung“, um möglichst viele Menschen anzusprechen – genau solche Themen bieten die Rechtspopulisten.

Der „kluge Journalist“, schreibt Gäbler, dürfe sich deshalb von den rechten Provokateuren nicht missbrauchen lassen wie der Pawlowsche Hund, der auf jeden Reiz reagiert: „So verständlich es auch ist, dass Journalisten Tabubrüche und Ungeheuerlichkeiten der AfD festgehalten wissen möchten, eine reflexhafte Ad-hoc-Empörung ist nicht die beste journalistische Reaktion.“ Die Presse dürfe nicht über jedes Stöckchen der AfD springen.

„Framing“: Die Sprache der Rechten

Auch rät Gäbler den Redaktionen, sich kritisch mit der Rhetorik der AfD auseinanderzusetzen, um den Rechtspopulisten nicht auf den Leim zu gehen und in deren „Framing-Falle“ zu tappen. Gemeint ist: Die AfD versuche, ihre reaktionäre Sprache langsam aber sicher in den Wortschatz der Journalisten einzuführen. Wenn in Zeitungsartikeln etwa das AfD-Wort „Altparteien“ übernommen wird oder „Flüchtlinge mit Bildern von ‚Strömen’, ‚Flut’ oder gar ‚Invasion’ belegt werden“, sei das ein Erfolg für die Rechten. Ihre reaktionäre Sprache habe sich dann bereits in den Köpfen von Journalisten festgesetzt – und kann sich so weiter ausbreiten.

Das Verhalten der AfD, fasst Gäbler zusammen, fordere die heutigen Medien immer wieder heraus. Ein „eigener, speziell auf die AfD zugeschnittener Journalismus“ sei allerdings nicht nötig. „Vielmehr ist die AfD lediglich eine neue Herausforderung, um sich alte journalistische Tugenden und das klassische Handwerkszeug erneut vor Augen zu führen.“

Autor*in
Paul Starzmann

ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.

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