NPD geht juristisch gegen Verbots-Gutachter vor
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Ende April erschien in der Wochenzeitung Die Zeit ein Gastbeitrag des Dresdner Politikwissenschaftlers Steffen Kailitz mit dem Titel „Ausgrenzen, bitte“. Darin macht sich der Mitarbeiter des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung an der TU Dresden für ein Verbot der NPD stark. Diese lasse in ihrem Parteiprogramm „keinen Zweifel daran“, dass sie im Falle eines Machtgewinns „die demokratische Grundordnung Deutschlands durch eine völkische Diktatur ersetzten würde“, sagt Kailitz. Jede Demokratie habe das Recht, so Kailitz weiter, „eine derart aggressiv antidemokratische Partei wie die NPD vom Wettbewerb auszuschließen“.
„Rassistisch motivierte Staatsverbrechen“
Kailitz stellt mit Blick auf die NPD fest, dass diese „unmissverständlich“ „rassistisch motivierte Staatsverbrechen“ plane. Die Partei wolle „acht bis elf Millionen Menschen aus Deutschland vertreiben, darunter mehrere Millionen deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund“, schreibt er in seinem Zeit-Beitrag.
Bereits vor neun Jahren erschien in einem Themenheft der Hans-Seidel-Stiftung mit dem Schwerpunkt Extremismus ein Aufsatz des Privatdozenten Kailitz mit ähnlicher These. Seinen Vortrag als Gutachter im Rahmen des NPD-Verbotsverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht stützte Kailitz ebenfalls wesentlich auf diese Argumentation, die er also in dem Zeit-Artikel nicht zum ersten Mal vorbrachte. Darüber hinaus war seine „Staatsverbrechen“-These in dem aktuellen Artikel nur ein Argument von vielen – er ging ebenso auf die Ausschreitungen in Heidenau im Anschluss an eine NPD-Demonstration oder einen in U-Haft sitzenden brandenburgischen NPD-Kommunalpolitiker ein, dem die Behörden mehrere Anschläge vorwerfen.
Vielsagender Zeitpunkt
Dass die NPD und ihr Prozessbevollmächtiger Peter Richter ausgerechnet jetzt den Zeit-Beitrag nutzen, um Kailitz juristisch anzugreifen, kommt zu einem vielsagenden Zeitpunkt. Morgen endet die Frist, die Karlsruhe der Partei eingeräumt hat, um auf einen neuen Schriftsatz des Bundesrates zu antworten. Das weitere Verfahren ist indessen offen, auf Nachfrage des Autors erklärt das Gericht, ein Entscheidungstermin sei derzeit „nicht absehbar“.
In einer Pressemitteilung ließ die NPD-Pressestelle jüngst wissen, sie habe beim zuständigen Landgericht beantragt, Kailitz seine Behauptung, die Partei plane „rassistisch motivierte Staatsverbrechen“, zu untersagen. Tatsächlich seien dem Politikwissenschaftler und der Die Zeit entsprechende Schreiben zugegangen, bestätigte Kailitz im Gespräch mit dem Autor. „Der Mann“, schreibt die NPD in ihrer nur neun Zeilen umfassenden Notiz, habe „diese Tatsachenbehauptung aufgestellt ohne jeden Bezug auf das Parteiprogramm der NPD oder sonstige Äußerungen der Partei“.
Kailitz bleibt gelassen
Der angegriffene Wissenschaftler sieht der Auseinandersetzung gelassen entgegen. Seine Erkenntnis sei hinlänglich belegt. Dafür verweist er u. a. auf das „Aktionsprogramm der NPD“ aus dem Jahre 2002, das bis heute seine Gültigkeit nicht verloren habe. Das nach wie vor auf den „Weltnetz“-Seiten diverser Parteigliederungen abrufbare 80-seitige Dokument ist weitaus schärfer formuliert als das 2010 in Bamberg verabschiedete Grundsatzprogramm der NPD. Aber auch dort heißt es „Integration ist Völkermord“ und noch unmissverständlicher: „Die NPD fordert deswegen eine gesetzliche Rückführung der derzeit hier lebenden Ausländer. Grundsatz deutscher Ausländerpolitik ist: Rückkehrpflicht statt Bleiberecht“ (S. 12). Laut „Aktionsprogramm“ sollen „Ausländer ohne Arbeitserlaubnis oder Sonderaufenthaltsgenehmigung Deutschland nach längstens dreimonatigem Aufenthalt unverzüglich“ verlassen (S. 13).
Kailitz vermutet als Auslöser für den NPD-Schritt seine Einlassung während der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht. Denn Karlsruhe könne diese Argumente bei einem möglichen Verbot kaum übersehen. Der Vorstoß des NPD-Anwaltes Richter könnte demnach darauf ausgerichtet sein, Kailitz Vorwürfe zu relativieren. Nach dem Motto: Es handele sich um eine Einzelmeinung und nicht um Fakten.
Der Text erscheint mit freundlicher Genehmigung von „Endstation Rechts“.