„Nazis raus! aus den Stadien“: Babelsberger landen Volltreffer
Thomas Faehnrich
Als am vergangenen Bundesliga-Spieltag in den Stadien der Profiligen der Ball rollte, konnten die Kicker des SV Babelsberg 03 wieder mal nur zuschauen. Ihr Spiel gegen den FSV 63 Luckenwalde war abgesagt worden, genau wie die zwei Partien davor. Für eine Rasenheizung fehlt dem Klub aus Potsdam schlicht das Geld. In der viertklassigen Regionalliga Nordost, der die Babelsberger seit dem Jahr 2013 angehören, entscheidet eben noch das Wetter darüber, ob ein Spiel angepfiffen wird oder eben nicht.
„Nazischweine raus“
Einen kleinen Trost gab es für die Amateurkicker dennoch: Der SV Babelsberg 03 und dessen Kampagne „Nazis raus! aus den Stadien“ war gleich in mehreren Stadien der ersten und zweiten Liga präsent. Unter anderem in Augsburg und Köln demonstrierten Fans mit Spruchbändern ihre Solidarität mit den Kiez-Kickern aus Potsdam. Bereits zuvor hatte es unter anderem in München, Bremen, Krefeld, Göttingen und sogar aus Glasgow, Manchester und Tel Aviv Solidaritätsadressen in die brandenburgische Landeshauptstadt gegeben. Die unvollständige Auflistung zeigt: In der Außenwahrnehmung spielt der Klub zumindest aktuell erstklassig.
Der Anlass dafür liegt beinahe ein Jahr zurück: Energie Cottbus, tief gefallener Bundesligist der 2000er Jahre, gastierte im Karl-Liebknecht-Stadion der Babelsberger. Teile des Gästeanhangs sorgten mit Hitlergrüßen, rechtsextremen Gesängen, einem versuchten Platzsturm und Pyrotechnik dafür, dass die Partie noch Monate später die (Sport-) Gerichte beschäftigte. Während das Urteil, in dem beide Vereine zur Zahlung von Geldstrafen verdonnert werden, bis auf Weiteres ruht, stören sich die Verantwortlichen des SV Babelsberg vor allem an einem Punkt: Im Gegensatz Hitlergrüßen und antisemitischen Schmähgesänge, die per Foto- und Videoaufnahmen belegt sind, taucht die von einem Babelsberger Anhänger gerufene Parole „Nazischweine raus“ in der Urteilsbegründung auf. Ihr Vorwurf: Der NOFV nimmt Rechtsextremismus nicht ernst genug.
Vernetzung der Vereine läuft
Die Folge: Eine für einen Viertligisten wohl einmalige Medienpräsenz durch die Kampagne „Nazis raus! aus den Stadien“. Von der Regionalpresse als „Ventil für den Fußball“ beschrieben, traten nach Vereinsangaben zuletzt mehr als 200 neue Mitglieder dem Verein bei. Und während Artikel in Washington Post oder New York Times die Aktion selbst in den USA bekannt machte, dürfte der Verkauf von T-Shirts und Jute-Beuteln mit dem Aufdruck „Nazis raus! aus den Stadien“ längst mehr Geld eingespielt haben, als für den aktuellen Rechtsstreit und die im Raum stehende Strafe benötigt wird. „Wir sind sehr dankbar für die breite und konkrete Unterstützung für unseren Verein und unser Eintreten gegen ‚Rechts‘, erklärt dazu Archibald Horlitz, Vorstandsvorsitzender der Babelsberger, auf der Homepage des Vereins. Da wusste er noch nicht, dass allein der FC St. Pauli 3.000 Euro spenden würde und in Bremen Gäste des Weserstadions künftig von Spendenboxen für die Babelsberger begrüßt werden:
Wichtiger als alle Einnahmen scheint den Verantwortlichen, dass ihr Verein eine Art Initialzündung geben kann für Klubs, die sich mit Rechtsextremen – auch in den eigenen Reihen – konfrontiert sehen. Zwar gelten Werder Bremen und Borussia Dortmund, die sich bislang neben dem 1. FC Köln und dem VfB Stuttgart offiziell zur Unterstützung der Babelsberger bekannt haben, heute als Klubs mit klarer Haltung vielseitiger Fanszene. Allerdings sammelten sich auch in deren Umfeld in der Vergangenheit immer wieder Gruppen mit rechtsextremen Hintergrund. Und gerade im Osten der Nation, aber auch in Aachen oder Duisburg, wo antirassistisch auftretende Fangruppen immer wieder attackiert werden, kann die Aktion „Nazis raus! aus den Stadien“ Impulse setzen. „Gern wollen wir die Unterstützung für kleinere Vereine verstärken, welche sich gegen rechte Hetze positionieren, bisher aber keine größere Aufmerksamkeit erfahren haben.“, erklärt dazu Thoralf Höntze, Marketingleiter des SV Babelsberg 03.
Unterstützung auf allen Ebenen
Unterstützung dafür kommt auch aus der Politik. Mit Potsdams Oberbürgermeister Jann Jacobs und Manja Schüle, Bundestagsabgeordnete aus Potsdam, stellen sich zwei Sozialdemokraten klar an die Seite des SV Babelsberg. „Selbstverständlich unterstütze ich die Kampagne „Nazis raus aus den Stadien“ des SV Babelsberg 03. Der Club tritt seit vielen Jahren für Vielfalt, Toleranz und Weltoffenheit ein. Als Babelsbergerin bin ich ein wenig stolz darauf, dass diese Initiative gegen rechte Hetze von dem Verein ausgeht, der bei mir in der Nachbarschaft trainiert und spielt und den ich für seine klare Haltung schätze“, sagte Schüle gegenüber vorwärts.de. Es sei großartig, dass dieses Projekt mittlerweile bundesweit Schule macht, so Schüle weiter.
Und die Cottbusser? Nachdem die Stadt in den vergangenen Wochen durch mehrere Demonstrationen des rechtsoffenen Bündnisses „Zukunft Heimat“ in die Schlagzeilen geriet, ist ihr Team im April erneut zu Gast in Babelsberg. Eine Wiederholung der Vorgänge des Vorjahres steht dabei nicht zu befürchten, der Gästeblock bleibt leer. Eine Idee, wie die ausbleibenden Einnahmen dennoch erzielt werden können, haben die Potsdamer aber schon entwickelt: Mit einer Geldspende können Firmen und Privatleute die Kampagne „Nazis raus! aus den Stadien“ unterstützen, im Gegenzug gibt es einen Platz auf extra aufgestellten Werbetafeln. Manja Schüle hat bereits zugesagt. Erfährt die Kampagne auch weiterhin so starken Zuspruch, könnte der Platz auf den Tafeln bald knapp werden.
Update: Inzwischen hat das Bundesgericht des Deutschen-Fußball-Bundes (DFB) das Urteil des NOFV gegen Energie Cottbus aufgehoben. Es verurteilte die Cottbusser unter anderem wegen der Ereignisse im Gastspiel beim SV Babelsberg 03 zu einer Geldstrafe in Höhe von 7.000 Euro.