CSU und Freie Wähler: „Kulturkampf mit Winnetou, Wolf und Gendern“
IMAGO/Wolfgang Maria Weber
Am Samstag haben Sie an einer Demonstration in München gegen Rechtspopulismus und die Spaltung der Gesellschaft teilgenommen, zu der die SPD auch aufgerufen hatte. Was war der Grund dafür?
Die Ereignisse in Erding am 10. Juni haben uns alarmiert. Bei einer Demonstration gegen das Heizungsgesetz der Bundesregierung hat der stellvertretende bayerische Ministerpräsident Hubert Aiwanger Worte gebraucht, die selbst der Fraktionsvorsitzende der CSU als „rechtsradikale Diktion“ bezeichnet hat. Wir fanden es deshalb notwendig, ein Zeichen gegen diese Entgleisung zu setzen. Deswegen haben wir mit einem breiten Bündnis aus Parteien, Gewerkschaften und Zivilgesellschaft zur Demonstration auf dem Münchener Odeonsplatz aufgerufen. Fast 10.000 Menschen sind gekommen und haben ein klares Zeichen gesetzt. Es darf nicht sein, dass man die Themen, die für die Menschen wichtig sind, ignoriert. Und dann mit Themen wie Wolf, Winnetou und Gendern einen Kulturkampf von rechts startet.
Zielen Sie mit Ihrer Kritik auch auf Markus Söder, der u.a. von einer „zwanghaften Veganisierung“ und „zwanghaftem Gendern“ spricht?
Sowohl Aiwanger als auch Markus Söder verwenden den Wortschatz des Rechtspopulismus. Hubert Aiwanger hat in Erding aber klar eine Grenze überschritten, indem er Begriffe benutzt hat, wie man sie sonst nur von AfD-Politikern kennt. Darüber hinaus versucht er, die Stadt gegen das Land auszuspielen und wettert gegen „die da oben“. All das sind klassische Spaltungsmuster, die wir auch bei Donald Trump hören konnten. Und Markus Söder hat der Demonstration in Erding durch seine Teilnahme leider erst die große mediale Aufmerksamkeit verschafft. Auch er gibt Fake News von sich und trägt seinen Teil zur Vergiftung der Debatte bei. In Erding hat er sich zwar von AfD-Anhängern, Querdenkern und ähnlichen distanziert – was ihm vielleicht auch leichtgefallen ist, weil sie ihn niedergeschrien haben.
Was treibt Hubert Aiwanger an, diesen „Kulturkampf von rechts“ zu befeuern?
Ich fürchte, er macht das aus Überzeugung. Hubert Aiwanger ist aus meiner Sicht ein Rechtspopulist. Das hat lange niemand gemerkt. Aber schon in früheren Wahlkämpfen hat er gezeigt, dass er sehr weit rechts steht, etwa mit Äußerungen zur Flüchtlingspolitik. Er meint, damit Wählerinnen und Wähler von der AfD gewinnen zu können. Ich bin aber sehr sicher, dass er mit dieser Rhetorik das Gegenteil erreicht und die AfD nur stärkt. Die demokratischen Parteien können dadurch nichts gewinnen.
Sehen Sie trotzdem die Gefahr, dass er den Ton des beginnenden Landtagswahlkampfs setzten könnte?
Ich befürchte tatsächlich, dass CSU und Freie Wähler das versuchen werden. Auch deshalb war die Demonstration am Samstag so wichtig. Wir werden als SPD dagegenhalten und die Themen in den Vordergrund stellen, die den Menschen wichtig sind. Und das ist eben nicht Gendern, sondern bezahlbare, saubere Energie, genügend Kita-Plätze und bezahlbare Wohnungen. Wir wollen über die realen Probleme der Menschen sprechen und nicht über rechte Kulturkampf-Themen.
Wie wollen Sie damit durchdringen, wenn im schlimmsten Fall alles von Pseudothemen überlagert ist?
Da setze ich ganz auf die Wählerinnen und Wähler. Die heiße Phase des Wahlkampfs wird erst nach den Sommerferien Mitte September beginnen. Ich bin sehr sicher, dass spätestens dann die allermeisten erkennen werden, dass von Diskussionen übers Gendern nicht ihre Miete bezahlt wird.
Sie sind zurzeit kreuz und quer durch Bayern unterwegs. Spiegelt sich das bereits in ihren Begegnungen wider?
Mich hat zumindest noch nie jemand auf die Themen Wolf, Winnetou oder Gendern ausgesprochen. Es sind stattdessen sehr reale Probleme, die die Menschen beschäftigen. Gerade hatten wir eine große Betriebsrätekonferenz in Augsburg. Da ist einmal mehr deutlich geworden, dass die Frage besserer Löhne ein ganz wesentliches Thema für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist. Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir uns als SPD weiter für Tariftreue stark machen. Auch dass sich Lars Klingbeil gerade klar für einen Mindestlohn von 14 Euro ausgesprochen hat, ist ein wichtiges Signal. Den Unternehmen, die ich besuche, ist vor allem eins wichtig: Sie brauchen sichere und bezahlbare Energie. Sie brauchen den Industriesstrompreis. Sie brauchen eine schnelle Energiewende. Die treibt die unsere Bundesregierung im neuen Deutschlandtempo voran. Das wird auch in Bayern mit sehr viel Wohlwollen gesehen.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.