AfD gegen Religionsfreiheit: Munition statt Argumente
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„Einfach Aluminiumkassette aufstellen, Banner ausziehen, befestigen und fertig!“ Mit diesem Satz bewirbt der „AfD-Fanshop“ im Internet einen Artikel für den Wahlkampfstand. 72 Euro kostet das mannshohe Transparent zum Ausziehen. Auf blauem Hintergrund zeigt es neben dem roten AfD-Logo ein Foto des Berliner Doms. In weißen Buchstaben steht darauf: „Wir für ein christliches Abendland“.
Religionsfreiheit: Nicht irgendein Recht
So inszenieren sich die Rechtspopulisten als Hüter des Christentums. Das sei bedroht, behaupten sie – von „dem Islam“. In ihrem Wahlprogramm fordert die AfD deshalb, der freien Religionsausübung hierzulande „Schranken zu setzen durch staatliche Gesetze“.
Solche Aussagen nehmen Vertreter der Religionsgemeinschaften in Deutschland mit Sorge wahr. „Religionsfreiheit ist nicht irgendein Recht“, sagt etwa der Menschenrechtler Daniel Legutke, der als Berater für die katholische Kirche arbeitet. Die Glaubensfreiheit sei ein Grundrecht, im Völkerrecht genauso wie im Grundgesetz fest verankert. Das lasse sich nicht einfach so einschränken wie die AfD sich das vorstelle. Zu den Grundrechten gehöre ausdrücklich auch das sichtbare Tragen von religiösen Symbolen wie Kopftuch und Kippa oder das Errichten von Kirchtürmen und Minaretten.
Kirchen gegen Anti-Moschee-Demos
„Religionsfreiheit gibt es für Christen, Juden und natürlich auch für uns Muslime“, betont auch Suleman Malik, der Landessprecher der muslimischen Ahmadiyya-Gemeinschaft in Thüringen. Die liberale Gemeinde will in Erfurt eine Moschee bauen. Seit Jahren gibt es Proteste dagegen, mitorganisiert von der AfD. Alice Weidel, Chefin der AfD im Bundestag, will die Ahmadiyya sogar verbieten lassen. „Es sind auch militante Neonazis unter den Demonstranten“, sagt Malik über die Proteste in Erfurt. Wie aufgeheizt die Stimmung in Deutschland inzwischen ist, zeigt sich auch in Halle: Dort haben Unbekannte vor kurzem auf eine islamische Einrichtung geschossen. Der Staatsschutz ermittelt.
Bei Anti-Moschee-Demos wie in Erfurt ist von vermeintlich „islamkritischen“ Reden bis hin zur offenen Hetze gegen Muslime alles dabei. Die beiden großen Kirchen in Deutschland sind ganz klar gegen die Proteste. Für den Kirchen-Mann Legutke passt es auch nicht so recht zusammen, dass die AfD Einschränkungen der Religionsfreiheit das Wort redet, sich aber zugleich als Hüterin einer „jüdisch-christlichen Tradition“ darstellt. Er sagt, seine Kirche fühle sich von den Rechtspopulisten nicht vertreten – sondern zu Unrecht vereinnahmt.
„Argumente, die als Munition verwendet werden“
Auch die Historikerin Yasemin Shooman vom Jüdischen Museum in Berlin nimmt der AfD ihre Rhetorik in Sachen Religion nicht ab. Wenn die Rechtspopulisten Antisemitismus in der muslimischen Community anprangerten, verbreite die AfD damit meist nur „Argumente, die als Munition verwendet werden, um eine Gruppe weiter zu stigmatisieren und Ausgrenzung zu legitimieren“. Natürlich gebe es auch unter Muslimen in Deutschland judenfeindliche Einstellungen – wie überall in der Gesellschaft, sagt Shooman. Wenn die AfD aber behaupte, dagegen vorgehen zu wollen, sei das eher wie eine „Instrumentalisierung der Menschenrechte“ – statt eines aufrichtigen Beitrags zu einer ernsten Debatte.
Das gleiche gelte auch beim Thema Frauenrechte: „Als große Feministen gerieren sie sich nur, wenn es um Muslime geht“, sagt Shooman. Genauso sieht das die prominente Ex-Piraten-Politikerin Marina Weisband, die als Jüdin immer wieder Anfeindungen ausgesetzt ist. „Es ist ja interessant zu sehen, wie bestimmte Leute nur dann um die Rechte von Frauen oder Juden oder wem auch immer besorgt sind, wenn es gegen Muslime geht“, schreibt sie in einer Kolumne für den Deutschlandfunk. Bei der AfD suche „man vergeblich einen Beitrag gegen hausgemachten Sexismus oder Antisemitismus.“
„Modernisierungsstrategie“ der Rechten
Ihren Kampf gegen „den Islam“ als Schutzmaßnahme für jüdisches Leben zu verkaufen, sei Teil einer „Modernisierungsstrategie“ der Rechtspopulisten, sagt Shooman. Früher seien Parteien wie die österreichische FPÖ oder der französische Front National vor allem mit antisemitischer Stimmungsmache aufgefallen. Heute richteten sich viele ihrer Forderungen vordergründig nur gegen Muslime. Aber oft seien Juden gleichermaßen betroffen – wie bei den Themen Schächten und Beschneidungen: beides wollen Rechtspopulisten am liebsten verbieten.
Auch die „erinnerungspolitische Wende“, eine Abkehr vom Holocaust-Gedenken wie sie der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke will, folge einem radikal antisemitischen Kurs, sagt Shooman. Umso mehr sei jetzt eins gefragt im Kampf gegen AfD, Pegida und Co: „muslimisch-jüdische Allianzen“ gegen die rechten Feinde der Religionsfreiheit.
ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.