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Lobbyismus: Wie der CDU-Wirtschaftsrat den Klimaschutz torpediert

Nach Recherchen von „LobbyControl“ haben Politiker*innen der CDU mehrfach Einfluss auf die Klimapolitik der Bundesregierung im Sinne der Wirtschaft genommen. Eine wichtige Rolle spielte dabei offenbar der CDU-Wirtschaftsrat.
von Kai Doering · 18. März 2021
„Lobbyismus-Problem im Machtzentrum der CDU“: LobbyControl kritisiert den Einfluss des Wirtschaftsrats auf die Klimapolitik der Union.
„Lobbyismus-Problem im Machtzentrum der CDU“: LobbyControl kritisiert den Einfluss des Wirtschaftsrats auf die Klimapolitik der Union.

Als die große Koalition 2019 um das Klimaschutzgesetz rang, mit dem sichergestellt werden soll, dass Deutschland seine Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen einhält, hatte der CDU-Wirtschaftsrat eine klare Agenda. Es gehe darum, „Strompreise für Unternehmen und Verbraucher bezahlbar zu halten“, teilte das Gremium mit, das sich selbst als „die Stimme der Sozialen Marktwirtschaft“ bezeichnet. Und der Wirtschaftsrat konnte sich durchsetzen: Das Ziel wurde im Konzept „Klimaeffizientes Deutschland“ von CDU und CSU aufgenommen.

„Im Klartext heißt das: Der Einsatz des Wirtschaftsrats, dass Unternehmen möglichst wenig für die Energiewende zahlen sollen, kam bei der Union an“, bilanziert eine Studie von „LobbyControl“, die am Dienstag vorgestellt wurde. Der Verein hat Rolle und Auftreten des CDU-Wirtschaftsrats mit besonderem Blick auf dessen Einfluss auf die Klimapolitik der CDU untersucht. Das Fazit ist eindeutig: „In den politischen Debatten zur Klimakrise fällt der Wirtschaftsrat der CDU als besonders starker und einflussreicher Klimaschutz-Bremser auf“, schreibt die Autorin der Studie, Christina Deckwirth.

Welche Rolle spielt CDU-Mann Joachim Pfeiffer?

Wie groß der Einfluss des Lobbyverbands, in dem zahlreiche Unternehmen auch der Energiewirtschaft Mitglied sind, auf die Politik von CDU und CSU ist, wird laut Deckwirth besonders an der Rolle des Bundestagsabgeordneten Joachim Pfeiffer deutlich. Pfeiffer ist nicht nur seit 2014 wirtschafts- und energiepolitischer Sprecher der Unionsfraktion, sondern auch Kuratoriumsmitglied der „Stiftung Energie und Klimaschutz Baden-Württemberg“, die zum Energiekonzern EnBW gehört. Seit Anfang 2020 sitzt er zudem im Beirat des kanadischen Gas- und Erdölunternehmens „Hydroma“. Beim CDU-Wirtschaftsrat ist Pfeiffer laut den Recherchen von LobbyControl „ein gern gesehener Gast“.

Die Argumentation des Gremiums greife Pfeiffer seit vielen Jahren gerne auf. So habe der CDU-Mann schon 2013 das Ende der Ökostromförderung über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gefordert. Im Bundestagswahlkampf 2017 habe er seinen Einsatz gegen das EEG nochmal erhöht. „Auch an markigen Worten zum Klimaschutz mangelt es Pfeiffer nicht“, schreibt Christina Deckwirth in ihrer Untersuchung: So habe er die Debatte über den Klimaschutz als „alarmistisch“ und „nur noch schwer erträglich“ bezeichnet. „Der vermeintliche Klimaschutz“ sei für viele Bürger*innen „zu einer Art Ersatzreligion geworden“.

SPD-Fraktion sagt EEG-Verhandlungen ab

Laut der Recherchen von LobbyControl setzte sich Pfeiffer während der Corona-Krise auch für ein sogenanntes Belastungsmoratorium ein, mit dem „zusätzliche Belastungen für die Wirtschaft und insbesondere die wichtigen Mittelständischen Unternehmen“ durch Klimaschutzmaßnahmen „um jeden Preis“ vermieden werden sollten. Nach Bekanntwerden der Recherchen hat die SPD-Bundestagsfraktion am Mittwoch die Verhandlungen mit CDU und CSU über eine Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes abgesagt. „Es muss klar auf den Tisch, wer eigentlich aus welchen Gründen welche Interessen verfolgt“, sagte SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch gegenüber dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ zur Begründung.

Neben Pfeiffer steht der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium Thomas Bareiß im Zentrum des Interesses von LobbyControl. Er ist Mitglied im CDU-Partei- sowie im Fraktionsvorstand und im Bundestag seit 2010 für das Thema Energiepolitik zuständig. Bis zu seiner Berufung als Staatssekretär war Bareiß Beiratsmitglied des Lobbyverbands der Gasindustrie.

„In seinen öffentlichen Äußerungen fällt auf, dass Bareiß sich immer wieder kritisch bis abfällig über Klimaschutzmaßnahmen geäußert hat“, schreibt  Christina Deckwirth in ihrer Studie. Die Energiewende etwa habe er als „Monstrum“ bezeichnet, „weil sie die vier großen Energiekonzerne in ihrer Existenz bedrohe“. Zudem habe Bareiß mehrfach den „Kampf gegen das Auto“ gegeißelt. Das Portal „klimareporter“ nennt ihn einen „Hardliner“. Wie Pfeiffer sei auch Bareiß Dauergast beim CDU-Wirtschaftsrat.

Fließender Übergang zwischen CDU und Lobbyverband

„In Klimafragen setzt der Wirtschaftsrat vor allem auf den Erhalt bestehender Wirtschaftsstrukturen, warnt vor zusätzliche ‚Belastungen‘ für Unternehmen und wehrt sich gegen schärfere Klimaziele“, lautet so auch ein Fazit der Untersuchung von LobbyControl. „Durch seine engen Verbindungen zur CDU haben diese Positionen direkten Einfluss auf die klimapolitische Ausrichtung der Partei und ihrer Vertreter*innen in der Politik.“

Als besonders kritisch bewertet LobbyControl in diesem Zusammenhang, dass die Präsidentin des Wirtschaftsrats, Astrid Hamker, auch beratendes Mitglied im CDU-Parteivorstand ist – und das, obwohl der Wirtschaftsrat ein eigenständiger Lobbyverband und kein Gremium der Partei ist. „Es gibt ein Lobbyismus-Problem im Machtzentrum der CDU“, sagt Studien-Autorin Deckwirth dazu. Der Wirtschaftsrat der CDU stehe „für einen problematischen fließenden Übergang zwischen Partei und Lobbyverband“. Oder wie es die politische Geschäftsführerin von LobbyControl, Imke Dierßen, ausdrückt: „Die Union muss dringend ihr Verhältnis zu Macht und Geld neu justieren.“

Ergänzung: Der Bundestagsabgeordnete Joachim Pfeiffer hat nach Auskunft von LobbyControl mittlerweile seine Lobbytätigkeiten im CDU-Wirtschaftsrat nachtragen lassen.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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