
Es war ein ungeheurer Affront. Im Lautsprecherwagen fuhr ein Mitglied der CDU durch den Wuppertaler Stadtteil Ronsdorf und verkündete: „Wir brauchen keinen Penner, davon haben wir genug.“ Die Szene ist, zeitlich nicht zugeordnet, im „Willfried-Penner-Lesebuch“ verewigt und deutet wohl auf eine gewisse Hilflosigkeit hin. Schließlich vertrat Willfried Penner Wuppertal fast drei Jahrzehnte (1972 bis 2000) lang ununterbrochen im Bundestag. Seit 2005 ist er Ehrenbürger der Stadt.
Staatsanwalt zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen
Als „Kind des ‚Zeitalters der Extreme‘“, beschreibt der frühere stellvertretende Regierungssprecher Klaus Vater Penner in dem Lesebuch, das bereits einige Monate vor dessen 85. Geburtstag am 25. Mai erschienen ist. „Sport, Politik, Heimat“ ist es überschrieben und das beschreibt ganz gut die drei Interessen und Talente von Willfried Penner.
1936 in Wuppertal geboren, machte Penner hier 1956 sein Abitur. „Er gehörte zur überschaubaren Schar Mädchen und Jungen, vor allem Jungen, die von den Eltern auf den Bildungsweg gebracht wurden, die aber keinem traditionell bildungsbürgerlichen Elternhaus entstammten“, wie Klaus Vater betont. Nach dem Jura-Studium zog es Penner dann als Staatsanwalt in die „Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen“ in Ludwigsburg – und das in einer Zeit, in der eine solche Aufklärung in der Bevölkerung eher mit Misstrauen beäugt worden sei.
Der erste Wehrbeauftragte, der nicht „gedient“ hatte
Bekanntheit erlangte Willfried Penner aber erst ab 1980 als er Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium unter Bundeskanzler Helmut Schmidt wurde. Ab 1985 war er dann stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion, von 1995 bis 2000 Vorsitzender des Innenausschusses. Krönender Abschluss seiner politischen Karriere war schließlich die Wahl zum neunten Wehrbeauftragten im April 2000 – dem ersten (männlichen), der nicht „gedient“ hatte: Für die Wehrmacht war er zu jung gewesen, nach Aufbau der Bundeswehr zu alt, um noch „gezogen“ zu werden.
„Während der Truppenbesuche legte der Wehrbeauftragte stets großen Wert darauf zu betonen, dass er viel Zeit mitgebracht hatte“, erinnert sich im Lesebuch die damalige Regierungsrätin Bettina Petzold. „Er beendet seine Besuche bei der Truppe erst dann, wenn auch der letzte Soldat zu Wort gekommen war.“
Ein „Mann ohne Eitelkeiten“
Doch bei all den Reisen und Jahrzenten erst in Bonn, dann in Berlin blieb Willfried Penner stets seiner Heimatstadt Wuppertal eng verbunden. Besonders ausgedrückt wird das durch sein vielfältiges Engagement im Sport. Als Vorsitzender des Sportausschusses des Stadtrats lernte er bereits in den 60er und 70er Jahren die Wuppertaler Sportplätze und Turnhallen kennen. Später engagierte er sich in den Vorständen verschiedener Vereine und war 25 Jahre lang Vorsitzender des Stadtsportbunds. Und als Fußballer waren seine „Drop Kicks“ berüchtigt, wie es im Lesebuch heißt.
Er sei ein „Mann ohne Eitelkeiten“ schrieb die „Zeit“ bereits 1980 über Willfried Penner. Dass er im Laufe seines politischen Lebens u.a. als Generalbundesanwalt, Chef des Bundesnachrichtendienstes und Kanzleramtsminister unter Helmut Schmidt im Gespräch war, ist da fast schon ein Wunder. Erfüllt hätte Penner diese Aufgaben sicher mit Bravour.
Matthias Dohmen (Hrsg.): Sport, Politik, Heimat. Das Willfried-Penner-Lesebuch, Nordpark 2020, ISBN 978-3943940701, 14 EuroZum Weiterlesen