Wo setzt die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung an?
Die jüngst vom Kabinett beschlossene Wasserstoffstrategie hat das Ziel, „einen Handlungsrahmen für die künftige Erzeugung, den Transport, die Nutzung und Weiterverwendung von Wasserstoff und damit für entsprechende Innovationen und Investitionen“ zu schaffen. Denn noch ist die Produktion von grünem Wasserstoff sehr teuer, also nicht wirtschaftlich. Mit dem Aufbau einer nationalen Wasserstoffindustrie, gepaart mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien, soll der Technologie und auch der Produktion von grünem Wasserstoff nun zum Durchbruch verholfen werden. Außerdem sollen Hürden in der EEG-Umlage abgebaut werden, die die Produktion bisher zusätzlich verteuerte. Es soll ein neuer, großer Wirtschaftszweig entstehen, der letztendlich auch neue Arbeitsplätze schaffen soll.
Die nationale Wasserstoffstrategie bleibt dabei bestenfalls nicht auf Deutschland beschränkt, wie Kai Niebert jüngst im Gespräch mit dem „vorwärts“ erklärte: Der enorme Energiebedarf bei der Wasserstoffproduktion schreie förmlich danach, die Energiewende europäisch zu denken. „In Verbindung mit dem European Green Deal kann da ein Schuh draus werden“, so Niebert.
Hinzu kommt die Hoffnung auf einen neuen Exportschlager: SPD-Umweltministerin Svenja Schulze, CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier und die CDU-Forschungsminsterin Anja Karliczek hoffen, dass Deutschland sich mit der Wasserstoffstrategie weltweit an die Spitze der Forschung setzen kann. „Der Wasserstoff hat die Chance, wirklich einen doppelten Schub zu geben. Ein Schub für den Klimaschutz, weil, es ist eine saubere Energieform. Und ein Schub für Industrie und damit auch für Arbeitsplätze, weil man damit das ersetzen kann, was bisher CO2 produziert“, sagte Schulze am Mittwoch im ARD-Morgenmagazin. Es gehe nicht nur darum, Wasserstoff allein in Deutschland zu produzieren, sondern „vor allem die Technik zu verkaufen, da sind wir in Deutschland wirklich gut“.
Auch das Frauenhofer-Institut sieht ein wirtschaftliches Potential für Deutschland und Europa in Milliardenhöhe für die kommenden Jahrzehnte. Wörtlich heißt es im Konjunkturpaket zur Wasserstoffstrategie: „Deren Ziel soll es sein, Deutschland bei modernster Wasserstofftechnik zum Ausrüster der Welt zu machen.“
Welche Rolle spielt Wasserstoff beim Klimaschutz?
Für sich genommen hat Wasserstoff zunächst keine Bedeutung für den Klimaschutz. Es kommt in der Natur in Verbindung mit Sauerstoff als Wasser oder in Erdgas oder Erdöl gebunden als Kohlenwasserstoff vor. Es kann mittels Elektrolyse klimafreundlich als Wasser gewonnen werden – oder in Raffinerien aus fossilen Brennstoffen. Das ist allerdings klimaschädlich, weil dabei auch große Mengen an CO2 freigesetzt werden.
Mittels Elektrolyse kann das Gas allerdings klimafreundlich gewonnen werden, wenn der Strom dafür aus erneuerbaren Energiequellen stammt. Dann ist von „Grünem Wasserstoff“ die Rede. In der Forschung wird dieser Prozess übrigens als „Power to Gas“ beschrieben – der Strom (Power) aus den Erneuerbaren Energien wird umgewandelt (to) in Wasserstoff (Gas). Der große Vorteil: Wasserstoff kann in großen Mengen gespeichert und dann später wieder genutzt werden, wenn bei Wind und Sonne Flaute herrscht. Hinzu kommt, dass Wasserstoff ein besserer Energieträger als Erdöl oder Erdgas ist und auch keine klimaschädlichen Gase freigesetzt werden, wenn diese Energie wieder genutzt wird. Die Kombination von diesen zwei Bereichen – also die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien einerseits und die damit verbundene Produktion von Wasserstoff andererseits – wird auch Sektorkopplung genannt.
Warum wird bisher kaum grüner Wasserstoff produziert?
Weil die Produktion bisher sehr teuer ist. Wasserstoff aus fossilen Energieträgern ist wesentlich günstiger aber eben auch klimaschädlich. Für die klimafreundliche Elektrolyse wird hingegen viel Strom benötigt. Kommt dieser Strom aus Atom- oder Kohlekraftwerken, wäre das natürlich kein Beitrag zum Klimaschutz. Inzwischen hat sich der Strom-Mix in Deutschland aber geändert. Fast die Hälfte der in Deutschland benötigten Energie wurde im vergangenen Jahr mittels Erneuerbarer Energien produziert. Der Ausstieg aus Kohle- und Atomstrom ist hingegen vorgezeichnet.
Statt künftig Windparks vom Netz zu nehmen, wenn sie bei zu viel Wind zu viel Strom produzieren, könnte die überschüssige Energie nun in die Elektrolyse von grünem Wasserstoff umgeleitet werden. Um den Bedarf komplett mit grünem Wasserstoff zu decken, ist allerdings weiterhin ein Ausbau von Erneuerbaren Energien notwendig. Die Rede ist von über 100 Gigawatt Leistung bis zum Jahr 2050. Zum Vergleich: Alle WIndkraftanlagen, die in Deutschland im Betrieb sind, haben, Stand 2019, zusammengenommen eine Leistung von 53 Gigawatt.
Welche Anwendungsgebiete gibt es noch für grünen Wasserstoff?
Wasserstoff wird vor allem in der Stahl- und chemischen Industrie benötigt, die bisher noch in großem Umfang von fossilen Stoffen wie Erdgas und Erdöl abhängig ist. Dort wird aber nicht nur die Energie des Wasserstoffs benötigt, das Gas wird auch für die Produktion von beispielsweise Ammoniak und diversen Kunststoffen benötigt. Grüner Wasserstoff ist also nicht nur für das Stromnetz von großer Bedeutung.
Interessant sind auch die Einsatzmöglichkeiten im Verkehr. Was für das E-Auto gilt, gilt nämlich für Lastwagen, Schiffe und Flugzeuge auch: Die Reichweite der Akkus von Elektrofahrzeugen reicht zwar für einen Großteil der Strecken, die mit privaten Pkw zurückgelegt werden, aber nicht für den Güterverkehr. Wasserstoff könnte deswegen vor allem beim Schwerlastverkehr zu einer Alternative werden. Das Gas kann dort entweder als direkter Brennstoff-Ersatz für Diesel oder Erdgas dienen oder als „Treibstoff“ für eine Brennstoffzelle, die Strom produziert und so die Motoren antreibt. In beiden Fällen würde praktisch nur Wasserdampf als Abgas entstehen – bei wesentlich höherer Reichweite. Deswegen schreibt unter anderem das Frauenhofer-Institut 2019 in einer Roadmap für die Wasserstoffindustrie in Deutschland: „Wasserstoff kann einen entscheidenden Beitrag zur Treibhausgasneutralität der Sektoren Industrie und Verkehr leisten.“