Mobilität

Tempolimit: Was die Vorteile einer Geschwindigkeitsbegrenzung sind

Sebastian Thomas07. Februar 2023
Noch sind sich Expert*innen und Politiker*innen uneins, welche Höchstgeschwindigkeit bei einem generellem Tempolimit gilt. SPD-Politiker Stephan Weil plädiert für 130 Kilometer pro Stunde.
Noch sind sich Expert*innen und Politiker*innen uneins, welche Höchstgeschwindigkeit bei einem generellem Tempolimit gilt. SPD-Politiker Stephan Weil plädiert für 130 Kilometer pro Stunde.
Über ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen wird seit Jahren gestritten. Dabei liegen für Expert*innen viele Vorteile auf der Hand – und das nicht nur im Bereich Klimaschutz.

„Es spricht sehr viel für die Einführung eines Tempolimits von 130 Kilometer pro Stunde auf bundesdeutschen Autobahnen“, erklärt Niedersachsens SPD-Ministerpräsident Stephan Weil auf Anfrage des „vorwärts“. Dabei verweist er auf die aktuelle Studienlage, die besage: Eine Geschwindigkeitsbegrenzung „würde zu einer deutlich höheren CO2-Einsparung führen als bislang angenommen“. Daher ist für Weil klar: Der Mobilitätssektor müsse in Zukunft einen größeren Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel erbringen.

Umweltbundesamt errechnet höhere CO2-Einsparung

Tatsächlich erschien Mitte Januar dieses Jahres die Ergebnisse einer neuen Studie des Umweltbundesamtes (UBA), die Befürworter*innen eines generellen Tempolimits bestärkt. So würde eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen den Ausstoß des klimaschädlichen Kohlenstoffdioxids einsparen – doch, und das ist der entscheidende Punkt: mehr als die Behörde bisher angenommen hat. In ihrer Untersuchung gehen die Forscher*innen von einer erlaubten Geschwindigkeit von 120 Kilometer pro Stunde aus. Damit ließen sich pro Jahr 6,7 Millionen Tonnen CO2 einsparen.

Eine ältere Studie aus dem Jahr 2020 war noch zu dem Ergebnis gekommen, dass durch eine generelles Tempolimit von 120 der Ausstoß von nur 2,6 Millionen Tonnen Kohlendioxid vermieden werden könnte. Der Grund für den großen Unterschied: 2020 seien laut dem UBA die sogenannten Routenwahl- und Nachfrageeffekte nicht berücksichtigt worden. So würden Autofahrer*innen aufgrund eines Tempolimits eher Strecken nutzen, die kürzer und langsamer zu befahren sind. Dies spare zusätzlich Kraftstoff. Die Nachfrageeffekte meinen den Umstieg auf andere, klimaschonendere Verkehrsmittel, wie Bahn oder Fernbus – oder den gänzlichen Verzicht auf die Fahrt.

Für Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin, sind die neusten Schätzungen des UBA eine gute Nachricht, denn ein Tempolimit ist „ein schnelles, preiswertes und sicheres Klimaschutzinstrument“, ist sie sich sicher. Durch diese Maßnahme könne der Verkehrssektor die Emissionen deutlich reduzieren. Die bisherigen Geschwindigkeitsbeschränkungen seien unzureichend, da der Schadstoffausstoß in der Vergangenheit eher gestiegen als gesunken sei.

Vergleiche mit anderen Ländern sind wenig aussagekräftig

Ein Tempolimit hätte laut Kemferts Meinung aber nicht nur positive Auswirkungen auf den Klimaschutz. Zusätzlich führe es zu weniger Lärm und verbesserter Luft. Dabei geht Claudia Kemfert sogar noch einen Schritt weiter, indem sie sagt: „Müssten Autos nicht mehr für die jetzigen Höchstgeschwindigkeiten konzipiert werden, könnten sie leiser, kleiner und leichter sein und allein deswegen weniger verbrauchen.“ Fakt sei außerdem, dass geringere Höchstgeschwindigkeiten die Sicherheit im Verkehr erhöhten und die Wahrscheinlichkeit für Verkehrstote senkten. „Raserei führt zu potenziell zunehmenden Verkehrsgefahren“, so Kemfert.

Ähnlich sieht es Siegfried Brockmann, Leiter Unfallforschung der Versicherer. Doch mit einem kleinen Unterschied: Bezogen auf die Sicherheitswirkungen eines Tempolimits sehe er deutliche Effekte nach Auswertung bereits geschehener Unfälle erst bei Tempo 100. Angesprochen auf die Frage, warum Italien, Spanien und Dänemark ähnliche oder gar höhere Todesraten bei Autounfällen zu verzeichnen haben als Deutschland, und das obwohl in diesen Ländern ein Tempolimit existiert, antwortet er: „Solche Vergleiche haben nur begrenzten Aussagewert.“

Als Begründung führt Brockmann erhebliche Unterschiede in der Qualität der Infrastruktur an, unter anderem Kurvenradien, die Gestaltung der Auf- und Abfahrten sowie das Vorhandensein und die Qualität von Schutzplanken. Wichtig sei auch die Durchsetzung der Begrenzung durch Kontrollen. „Vielleicht sind die Geschwindigkeitsbegrenzungen in kritischen Bereichen in Deutschland ja auch richtig gesetzt und in anderen Bereichen ist schnelleres Fahren relativ gefahrlos möglich“, vermutet er.

Tempolimit ist nur ein erster Schritt

Für Claudia Kemfert wäre ein Tempolimit ohnehin nur ein erster Schritt. Für eine Verkehrswende muss in ihren Augen noch mehr geschehen: „Es bedeutet Verkehrsvermeidung, -verlagerung und -optimierung.“ Dazu müssten der Schienenverkehr und der öffentliche Personennahverkehr, der Rad- und Fußverkehr gestärkt werden. „Zudem benötigen wir deutlich stärkere EU-Grenzwerte für Neuwagen.“ Längst für überfällig hält sie den Ausbau der Ladeinfrastruktur. Mehr noch: Die Dieselsteuer solle auf das Niveau der Benzinsteuer angehoben werden. Die damit erzielten und zusätzlich vom Staat eingenommenen acht Milliarden Euro könnten verwendet werden, um „die Ladeinfrastruktur zu stärken und den Schienenverkehr zu stärken“.

Zuletzt hat Stephan Weil noch eine gute Nachricht für alle Autofahrer*innen: „Nach den Erfahrungen in anderen Ländern wird der Verkehrsfluss sogar besser als bisher“, verspricht er mit Blick auf die Vorteile eines Tempolimits. Das deckt sich mit einer Aussage von Claudia Kemfert, durch ein Tempolimit ließen sich auch Staus vermeiden: „Bei geringeren und gleichmäßigeren Geschwindigkeiten wird der Abstand zwischen den Fahrzeugen kleiner.“ Daher, so ihre Schlussfolgerung, sei man ohne Tempolimit kaum schneller als mit. „Es gibt somit ohne Tempolimit kaum Zeitersparnis, dafür wird mehr Sprit verbraucht.“ Außerdem führe es bei Autofahrer*innen zu mehr Ärger. All diese Erkenntnisse lassen für den niedersächsischen SPD-Ministerpräsidenten nur einen Schluss zu: „Wir sollten also den jahrzehntelangen Streit in dieser Sache beenden.“

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Kommentare

Tempolimit 130 kmh - besser 120 kmh

Die Vorteile eines Tempolimits von 130 kmh - besser 120 kmh - liegen klar auf der Hand. Nur die Partei " Freie Fahrt für freie Bürger " will das nicht sehen. Wie lange wedelt der Schwanz noch mit dem Hund?!

na ja, da mus man halt mal runter von der Parteilinie, so es die

denn überhaupt gibt. Da werden immer wieder Gutachten publik, die dann exakt das bestätigen, was die Auftraggeber schon immer vermutet haben. Sowas macht Habeck im Wochentakt, die Stromversorgung der nächsten 10 Jahre gibt keine Anlaß zur Besorgnis- hat er erst vor wenigen Tagen verlauten lassen . Gut, dann haben wir diese Sorge auch hinter uns.

Ich wette auf meinen A...esten, dass auch unter den SPD Mitgliedern die Sicht auf das Tempolimit eine geteilte ist, also vergrault die Partei auch ihre eigenen Parteigänger, wenn sie hier auf die Bremse tritt. Ich fahren die 260 meines Audi aus, wenn es die Verkehrssituation zulässt- gute Musik dazu, NEU! oder Rother, und ab geht die Post. Wer das ändert, dem muss ich mit Austritt drohen, und zwar ernsthaft.Und ich weiß , das andere Genossen das auch so sehen

Zu Max Freitag ...260 kmh und gute Music

Na da empfehle ich ich doch

Highway to Hell

von AC/DC .

Nicht - dass noch die SPD der Klasse der Besitzlosen ihre schweren Audi's, BMW's, Mööörcedes Benz wegnehmen will, wenn diese damit in der Toscana herumkurven.

Danke, aber

nein, das ist dann doch zu aggressiv, würde auf die Fahrweise abfärben, denke ich- und das will ich nicht, schon gar nicht bei der Geschwindigkeit

Zu Max Freitag II ... 260 kmh und gute Musik

Zu empfehlen ist auch:

Chris Rea

Road zu Hell

Man sollte mal tatsächliche Fachleute befragen.

Mp Weil ist Jurist, Fr. Kemfert ist Volkswirtin, Hr. Brockmann ist Politikwissenschaftler.

Bezüglich der Ausführung und Führung von Strassen, des Strassenbelags sowie der Autotechnik vieler sehr verschiedener PKWs und LKWs hat sich ja in den letzten Jahrzehnten einiges getan.

Ginge es um eine niedrigere Geschwindigkeit auf den Strassen, müsste man sich an den Strömungswiderstandskoeffizienten der Fahrzeuge orientieren.

Denn ab einer Geschwindigkeit von ca. 80 km/h aufwärts, steigt auch der Kraftstoffbedarf vieler Fahrzeuge drastisch an.

Eine Alternative zum individuellen Strassenverkehr wäre nur ein sauberer, sicherer, verlässlicher und preiswerter sowie nahezu überall erreichbarer ÖPNV.

Fachleute

Lieber Elias, dass stimmt nicht ganz: Stephan Weil hat für die Partei ein hohes Amt inne. Dass ein bekanntes und hochrangiges Mitglied einer Partei eine Debatte zu einem bestimmten Thema anstößt, gehört wohl zum politischen Tagesgeschäft. Siegfried Brockmann ist gelernter Kraftfahrzeugmechaniker, studierte politische Wissenschaft und ist seit 2006 Leiter der Unfallforschung der Versicherer. Claudia Kemfert leitet seit 2004 die im Artikel genannte Abteilung beim DIW. Sie ist studierte Wirtschaftswissenschaftlerin und wurde unter anderem 2016 in den Sachverständigenrat für Umweltfragen im Bundesumweltministerium berufen. Ich denke: Mehr Expertise - zumindest für dieses kurze Stück - geht nicht.

Geschwindigkeitsbegrenzung

Mit Porsche-Lindner und Herrn Wirsing (lt. Urban Priol) wird es keine Begrenzung geben.

Insbesondere aber wird die Lobby mit all ihren Mitteln dagegen einschreiten und weiterhin SUV's verkaufen wollen.

Adios Klimaschutz, sowohl in diesem Fall wie auch in vielen anderen Fällen (z.B. Silvesterballerei)

na, was spricht denn da aus den verfremdeten Namen?

Neid? Ich vermute es, denn wer sachlich debattieren will, muss nicht zu derart plumpen Verunglimpfungen greifen. Ich bedauere Sie sehr , denn angesichts der großen Zahl von Mitgliedern müssen Sie und dürfen Sie davon ausgegehen, dass sich auch im linken Spektrum Porsche freunde finden lassen. Ernst von den LINKEN ist so einer- dem wird das nicht vorgehalten, was Sie Lindner zum Vorwurf machen. Offensichtlich haben Sie -abgesehen vom Porsche - nichts, was an Lindner auszusetzen wäre. Und Wirsing? das ist Humor für arme

Neid?

Keineswegs uin danke für die Komplimente.

Lindner

Es gibt schon einiges an Lindner auszusetzen, aber das gehört nicht hier zu Thema des Beitrags.