Mieten

SPD-Wohnungsbaupolitik - Weil Wohnen kein Luxus werden darf

Susanne DohrnKai Doering20. September 2016
Kann sich den Heimatort im Hamburger Speckgürtel nicht mehr leisten: Daniela Biesterfeldt mit ihren Töchtern und Hund Lenni
Kann sich den Heimatort im Hamburger Speckgürtel nicht mehr leisten: Daniela Biesterfeldt mit ihren Töchtern und Hund Lenni
Die Mieten in Großstädten und Ballungsräumen ­steigen seit Jahren. Doch auch diejenigen, die nicht zehn Euro Kaltmiete zahlen können, müssen eine Wohnung finden. Welche Erfolge die SPD-Wohnungsbaupolitik bisher gebracht hat und was noch zu tun ist.

„Wir ziehen nach Moorrege.“ Als Daniela Biesterfeldt das vor fünf Monaten ­einer Freundin erzählte, war deren ­erste ­Reaktion: „Das ist nicht dein Ernst.“ Wer Moorrege kennt, kann das ein wenig nachvollziehen. Zwei stark befahrene Durchgangsstraßen, kein Bahn­anschluss, einige Neubaugebiete und zwei Supermärkte – viel mehr lässt sich über die 4000-Einwohner-Gemeinde in Holstein nahe Hamburg nicht sagen. Doch ­Daniela und Mike Biesterfeldt konnten mit dem Umzug nicht länger warten. Gerade waren ihre Zwillinge Lilly und Livia zur Welt gekommen und sie wohnten immer noch in einer 55-Quadratmeter-Wohnung in der Nachbarstadt Tornesch.

Keine bezahlbaren Wohnungen in Ballungsgebieten

Eigentlich wollten Daniela und Mike nicht wegziehen. „In Tornesch treffe ich alle zehn Meter jemanden den ich kenne, da wohnen meine Freunde und meine ehemaligen Kunden“, sagt ­Daniela, die bis zur Geburt ihrer Kinder in der Stadt als Friseurin gearbeitet hat. Die Stadt liegt nah an der Autobahn – gut für Mike, der mit dem Auto nach Hamburg zur Arbeit fährt. Also haben die beiden hier gesucht und sich in den vergangenen vier Jahren mindestens 15 bis 20 Wohnungen angeschaut. Mike ist ­Lackierer, damals verdienten sie noch beide, eigentlich eine Trumpfkarte bei der Wohnungssuche. Aber 1200 Euro warm für drei Zimmer, das konnten die beiden sich nicht leisten. Hinzu kam Lenni, ein quirliger Jack-Russel-Mix. „Die meisten Vermieter wollen keine Hunde“, sagt Daniela. Und auch keine Kinder, wie sie feststellte, als sie schwanger war.

Vier Wochen nach der Geburt der beiden Mädchen entdeckte Daniela morgens um halb vier im Internet eine Wohnung. Neubau, Erstbezug, 72 Qua­dratmeter, Mini-Terrasse zur Straße, 850 Euro warm. „Der Knaller.“ Sie mailte sofort ihr Interesse und die Vermieterin gab dem jungen Paar den Vorzug, weil sie die ersten Interessenten waren, die sich gemeldet hatten. Nun träumt ­Daniela zwar weiter von 80 bis 90 Qua­dratmetern mit kleinem Garten oder Terrasse in Tornesch. Bis 1000 Euro warm könnten sie bezahlen, sagt sie. Aber das wird schwierig, denn der Hamburger Speckgürtel, zu dem Tornesch und Moorrege gehören, ist teuer geworden. Und nicht nur der.

Preise für Eigentum und Mieten steigen

Knapper Wohnraum und steigende Mieten sind in Deutschlands Ballungsräumen an der Tagesordnung. Zwar liegt die durchschnittliche Miete bundesweit nur bei 6,90 Euro pro Quadratmeter. Gerade in den großen Städten und den Ballungsräumen ist sie aber deutlich gestiegen: in den vergangenen sechs Jahren in Berlin um 26, in München um 14, in Köln um 13 und in Hamburg um zwölf Prozent. Das hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ermittelt. „In den letzten Jahren ist ein regelrechter Nachfrageboom in einigen Ballungszentren entstanden“, sagt IW-Immobilienexperte Ralph Henger. „Durch den starken Zuzug wird der Wohnraum knapper und die Preise für Eigentum und Mieten steigen.“

Deshalb fordert der Direktor des Deutschen Mieterbunds Lukas Siebenkotten: „Wir benötigen mehr Wohnungen in bestimmten Gebieten.“ Neben den Großtstädten gelte das auch für Universitätstädte. Die Einwohner von Greifswald etwa zahlen die höchsten Mieten in ganz Mecklenburg-Vorpommern. Die Stadt, in der jeder fünfte Student ist, ist damit eine der teuersten in Ostdeutschland. Wer ­wenig verdient, findet nur noch in den Plattenbauvierteln am Stadtrand eine Bleibe. „Jemand, der in einer Stadt wohnen will, sollte auch in dieser Stadt wohnen können und nicht nur an ihrem Rand“, meint Lukas Siebenkotten.

Mehr Sozialwohnungen müssen her

„Auch jemand, der nicht zehn Euro Kaltmiete zahlen kann, muss eine Wohnung finden“, sagt Frank Thyroff. Er ist Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft (wbg) in Nürnberg. Vor fast 100 Jahren wurde sie von der Stadt, der Handwerkskammer und der Bauinnung gegründet. „Wir wollen den Menschen in Nürnberg Räume zum Leben und Wohnen gestalten – ihnen ein Zuhause geben.“ So steht es im Leitbild der wbg. „Wir legen bei der Auswahl unserer Mieter nicht die strenge Messlatte an, die private Vermieter anlegen“, sagt Frank Thyroff. Ein negativer Schufa-Eintrag sei nicht automatisch ein Ausschlussgrund. „Nur anlügen darf man uns nicht.“

Thyroff beobachtet seit Jahren einen „dramatischen Wegfall“ von Sozialwohnungen. Nach dem Auslaufen der staatlichen Förderung stehen diese dem freien Markt zur Verfügung – zu Preisen, die sich schnell dem höheren Mietniveau anpassen. Die Anzahl der Sozialwohnungen in Deutschland hat sich in den vergangenen 14 Jahren nahezu halbiert. „Hier haben Bund und Länder lange geschlafen“, sagt Frank Thyroff. Insgesamt fehlten in Nürnberg fast 30.000 Wohnungen. Die wbg hat deshalb schon 2012 ein umfangreiches Neubauprogramm beschlossen. Ein Drittel der neu entstehenden Wohnungen ist für Einkommensschwache reserviert.

Wohnungspolitik braucht langen Atem

Damit ist die wbg auf einer Linie mit Bundesbauministerin Barbara Hendricks. „Um den Bestand an Sozialwohnungen wieder zu erhöhen, haben wir die Mittel für die Länder in diesem Jahr auf eine Milliarde verdoppelt“, rechnet sie vor. Im Frühjahr hat das Bundeskabinett auf ihr Betreiben hin eine „Wohnungsbau-Offensive“ auf den Weg gebracht. So will der Bund zusätzliches Bauland zur Verfügung stellen, Bauvorschriften vereinfachen und Bauunternehmen mit steuerlichen Anreizen unter die Arme greifen. 400.000 Wohnungen sollen so pro Jahr entstehen. Im vergangenen Jahr waren es gerade mal 250.000.

Doch auch dem Bund sind die Hände oftmals gebunden. Seit der Föderalismusreform 2006 ist der Wohnungsbau Sache der Bundesländer. Das möchte Barbara Hendricks mit einer Änderung des Grundgesetzes korrigieren, „um als Bundesregierung wirksam dort helfen zu können, wo die Wohnungsnot am größten ist“. Es sei wichtig, dass sich alle engagieren: „Bund, Länder, Kommunen, Bauwirtschaft und private Investoren“. Wie schnell sich der Wohnungsmarkt entspannt, hängt auch von der Verwaltung ab. „Von der Baugenehmigung bis zur bezugsfertigen Wohnung dauert es im Idealfall ein Jahr“, sagt Mieterbund-Direktor Siebenkotten. Doch bis die Genehmigung erteilt ist, kann es auch mal länger dauern. „In der Wohnungspolitik ist der lange Atem entscheidend.“

Die SPD hat eine Menge getan, um Wohnen für alle bezahlbar zu halten. Eine Übersicht

1. Mietpreisbremse
Mit der Mietpreisbremse hat die SPD ein zentrales Ziel ihres Wahlprogramms durchgesetzt. Seit Juni 2015 darf in angespannten Wohnungsmärkten die Miete bei Wiedervermietung auf nicht mehr als 10 Prozent über der ortsüblichen ­Vergleichsmiete angehoben werden. Das entlastet die Mieter um 850 Millionen Euro pro Jahr. Auch das neu eingeführte Bestellerprinzip bei Maklern hilft den  Mietern: Wer den Makler bestellt, bezahlt ihn, –  das ist in der Regel der Vermieter.

2. Verschärfung der ­Mietpreisbremse
Inzwischen fordert die SPD eine Vorschärfung der geltenden Mietpreisbremse. Das wird von der Union abgelehnt. Konkret verlangt die SPD eine gesetzliche Pflicht des Vermieters, die Vormiete automatisch offenzulegen und einen Anspruch des Mieters, die zu viel gezahlte Miete rückwirkend vom Vertragsbeginn an zurückzuerhalten. Darüber hinaus will die SPD die Mietspiegel rechts­sicher machen. Zum Schutz der Mieter soll ­außerdem eine Kappungsgrenze für Mietsteigerungen bei Modernisierungen eingeführt werden, nach der maximal acht Prozent der Modernisierungskosten auf die Miete umgelegt werden dürfen. Künftig soll nach sozialdemokratischen Plänen auch ein Wirtschaftlichkeitsgrundsatz gelten, der unnötige Pro-­Forma-Modernisierungen als Vorwand für Mieterhöhungen verhindern soll.

3. Sozialer Wohnungsbau
Das Geld für den sozialen Wohnungsbau wurden in 2016 auf eine Milliarde Euro verdoppelt. Für 2017 und 2018 sind weitere Erhöhungen auf über 1,5 Milliarden Euro pro Jahr beschlossen.

4. Städtebauförderung
Auch die Mittel für die Städtebauförderung wurden kräftig erhöht: ab 2014 von 450 Millionen auf 700 Millionen Euro jährlich. Zusätzlich werden ab 2017 weitere 300 Millionen Euro für die soziale Stadtentwicklung zur Verfügung gestellt.

5. Wohngeld
Das Wohngeld für Familien, Arbeitslose, Rentner und Geringverdiener wurde 2016 aufgestockt. Von dieser Erhöhung profitieren 870.000 Haushalte.

6. Bauland
Der Bund stellt den Kommunen Bauland bzw. Liegenschaften mit Preisnachlässen von bis zu 80 Prozent zur Verfügung um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Darüber hinaus überlässt er Ländern und Kommunen Liegenschaften mietzinsfrei zur Flüchtlingsunterbringung. 170.000 Plätze für Flüchtlinge stehen derzeit so zur Ver­fügung.

7. Baunormen
Gegenwärtig werden bestehende Baunormen überprüft, um Kosten zu senken. Dies gilt etwa für die Stellplatzverordnungen der Länder, nach denen für jede neue Wohnung ein Stellplatz vorgeschrieben wird, was den Bau um bis zu 500 Euro pro Quadratmeter verteuert. n

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Kommentare

Wohnungsprobleme

In Punkt 1 wurde die Mietpreisbremse als Erfolg hingestellt.
In Punkt 2 wurde eine Verschärfung der Mietpreisbremse gefordert. Damit ist doch offenkundig, dass die Mietpreisbremse, wie sie beschlossen wurde, doch kein Erfolg war. Noch bevor sie vom Kabinett beschlossen wurde, haben die neoliberalen Kräfte sie bereits kraftlos gemacht, so dass sie ohne Wirkung ist. Sicherlich hätte es eine Mehrheit für die ursprünglich geplante Fassung im Parlament gegeben, aber leider hängte man sich, wie bei anderen Gesetzesinitiativen der SPD, an den Rock(Jacken)zipfel von Merkel, so dass bei diesen Gesetzen die Ausnahmen die Regel bilden, und die Union die Vorteile daraus schöpft, während die SPD ein weiteres Glaubwürdigkeitsproblem hat und zusätzliche Stimmen verliert, während der kleinste Koalitionspartner CSU weitgehend ungehindert seine Ideen durchsetzt.
Leider glaubt die Parteiführung, dass die Bürger dieses Trauerspiel nicht merken, doch die Wahlen und Mitgliederzahlen beweisen, dass viele Menschen nicht so schnell alles vergessen, wie die Politiker es sich erhoffen.
Nur denGewinn daraus erzielt dann die AfD.
Leute, wacht endlich auf und merkt, wie die CDU Euch über den Tisch zieht.

Die SPD hat eine Menge getan

Grund für hohe Mieten sind weniger gestiegene Anforderungen an das Bauen als ständig steigende Bodenpreise in Verdichtungsräumen (VR). Dort dürfen noch 10% über die ortsübliche Vergleichsmiete drauf, obwohl gerade dort aufgrund der hohen Grundstückspreise die Mieten schon überhöht sind! Klar: Preise steigen bei geringem Angebot und hoher Nachfrage. Grund und Boden sind aber kein beliebig vermehrbares Gut, wie Lebensmittel oder Güter des täglichen Bedarfs! "Mobilien" können jederzeit produziert werden wie die Nachfrage ist - solange Rohstoffe da sind. Die Verfügbarkeit von Grund und Boden aber ist allein schon durch Natur- und Landschaftsschutz stark eingeschränkt. Eine Erhöhung des Angebots ist in VR oft gar nicht möglich, weil keine Flächen mehr zur Verfügung stehen. Und wenn man welche findet und bebaut, wird geklagt, dass zu viel Landschaft versiegelt wird... Wer nicht erbt oder sehr gut verdient, kann sich eine eigene Wohnung nicht leisten. Grundbesitzer in Verdichtungsräumen haben dagegen ausgesorgt: Der Bodenwert steigt ohne eigenes Zutun.Und wenn die Kommune Bauland auweist, erst recht. Gewinn durch Wertsteigerung verdient m.E. eigentlich nur der, der etwas dafür getan hat!