Nach Treffen mit ukrainischem Außenminister

Warum SPD-Chef Klingbeil einen EU-Beitritt der Ukraine fordert

Jonas Jordan12. Mai 2022
Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil ist für einen EU-Beitritt der Ukraine.
Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil ist für einen EU-Beitritt der Ukraine.
Nach einem Treffen mit dem ukrainischen Außenminister Kuleba sprach sich SPD-Chef Klingbeil für einen EU-Beitritt des Landes aus. Entscheidend dürfte eine Sitzung der EU-Kommission im Juni werden.

Die Ukraine soll Mitglied der EU werden. Diese Haltung vertrat der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil am Donnerstagvormittag, nachdem er gemeinsam mit Fraktionschef Rolf Mützenich den ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba zum Gespräch getroffen hatte. Die Ukraine habe ihre Hausaufgaben im Hinblick auf ein mögliches Beitrittsverfahren gemacht, sagte Klingbeil. „Die Fragen der Europäischen Kommission sind beantwortet und im Juni wird die Europäische Kommission entscheiden, ob sie der Europäischen Union empfiehlt, den Kandidatenstatus an die Ukraine zu vergeben.“

Der SPD-Vorsitzende machte deutlich, dass die Ukraine aktuell im Krieg gegen Russland für die europäischen Werte kämpfe. Deswegen sei der Schritt, das Land zum EU-Beitrittskandidaten zu erklären, für die Sozialdemokratie auch wichtig. „Ich bin fest davon überzeugt, dass die Europäische Union viel stärker auch geopolitisch handeln muss. Das bringt die Zeitenwende mit sich“, sagte Klingbeil.

Klingbeil: Schnelle Beitrittsperspektiven schaffen

Das bedeute, schnelle Beitrittsperspektiven für die Ukraine und andere Länder zu schaffen. „Es ist wichtig, dass wir ein klares politisches Signal senden, dass wir die Ukraine in der Europäischen Union haben wollen, dass wir wollen, dass sie Mitglied wird und dann auch den Kandidatenstatus bekommt.“

Klingbeils Äußerungen stießen beim ukrainischen Außenminister erwartungsgemäß auf offene Ohren. Kuleba bekräftigte noch einmal, dass die Entscheidung über einen möglichen EU-Beitritt der Ukraine aus seiner Sicht die größte Frage sei, die die Zukunft Europas maßgeblich bestimmen werde. Bei dieser Entscheidung gehe es um den Beitritt seines Landes zum europäischen Integrationsprojekt. „Es impliziert keine sofortige Mitgliedschaft. Das ist offensichtlich“, stellte er klar.

Kuleba: „Die EU braucht die Ukraine so sehr wie die Ukraine die EU“

Dennoch sei dies diejenige Entscheidung, welche die Ukraine rechtlich in den europäischen Integrationsprozess einbinden werde. „Und die Europäische Union braucht die Ukraine genauso sehr wie die Ukraine die Europäische Union.“ Zudem sei die öffentliche Meinung sowohl in der Ukraine selbst als auch in allen Mitgliedsländern der Europäischen Union bezüglich eines Beitritts des Landes positiv eingestellt, sagte der ukrainische Außenminister

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Kommentare

Verwunderung

"Der SPD-Vorsitzende machte deutlich, dass die Ukraine aktuell im Krieg gegen Russland für die europäischen Werte kämpfe". Also nach dem Verbot von 11 Oppositionsparteien in der Ukraine, die angeblich prorussisch seien, - die KP wurde schon vor Jahren verboten - sehe ich da ein erhebliches Demokratiedefizit, das EUropäischen Normen nicht unbedingt entspricht. Die Verschuldung der Ukraine ist enorm und übersteigt die EU-Normenum ein Vielfaches. Dann dürfen EU-Beitreter keinen militärischen Stress mit Nachbarn haben - mit Russland ist das ja offensichtlich, aber die Begehrlichkeiten Polens und Ungarns in der Westukraine sind medial kaum bekannt. Dann ist da der Schutz von Minderheitenrechten; mM steht da das Verbot des Russischen als 2. Amtssprache im Gegensatz zu EU-Regelunegn (aber darüber schaut man ja auch bei gewissen Ostseeanrainerstaaten hinweg). .......
Für die SPD wäre es wichtig Wege zu Waffenstillstand und einer Friedensordnung in Europa finden und nicht vorschnell Regierungs/NATO-Positionen zu übernehmen.

Europäische Eigentore gerechtfertigt mit "Zeitenwende"

Die USA bestimmen die Richtlinien der Politik zum Nachteil von Europa und wir zahlen die Rechnung. Lend-Lease bedeutet in diesem Zusammenhang nichts anderes, als dass US Waffen im Nachhinein mit Europäischem Geld bezahlt werden müssen. Weil die Ukraine schon lange vor dem Krieg wirtschaftlich am Boden gelegen hat und jetzt umso mehr am Tropf hängt.

Welche Verteidigung europäischer Werte mein Genosse Vorsitzender? Wie beim Massaker im Gewerkschaftshaus von Odessa 2014? Oder wie bei den Sprachverboten für Russisch und der Einstellung der Sozialleistungen im Donbass durch die ukrainische Regierung seit 2014? Oder helfen uns die offen faschistischen Bataillone der Armee hier weiter?

Das ist weder unser Verbündeter, noch unser Krieg, noch ist die Ukraine reines Opfer einer russischen Aggression. Die Konsequenzen eines EU-Beitritts sollten besser mit viel Zeit sorgfältig abgewogen werden, als jetzt vorschnell einen Kandidatenstatus zu vergeben.

Hier soll wohl eher präventiv die Rückkehr brandtscher Ostpolitik verbaut werden, was für die SPD unwürdig ist.

Was sagt eigentlich unser Nato-Verbündeter Türkei dazu, der seit Jahrzehnten auf den Kandidatenstatus wartet?

„Europäisches Integrationsprojekt“

„Die Ukraine kämpft aktuell ... für die europäischen Werte“, für Deine und meine Freiheit – so unser Narrativ. Leider können wir uns an unserem Kampf nur mit Waffenlieferungen beteiligen, denn unsere Bundeswehr wollen selbst Frau Baerbock oder Frau Strack-Zimmermann nicht zur Hilfe schicken. Da ist es aber doch das Mindeste, dass die SPD „die Ukraine in der Europäischen Union haben will“, nicht allein aus Dankbarkeit, sondern weil „die Europäische Union viel stärker geopolitisch handeln muss“.

Allerdings sollten wir uns dann darauf einstellen, dass wir „am Beginn einer neuen, extrem konfliktreichen Epoche der europäischen Sicherheitsbeziehungen“ stehen, die durch „eine fluide Situation zwischen offenem Krieg, Guerillakrieg und brüchiger Stabilisierung“ (W. Zellner) in Permanenz gekennzeichnet sein wird. Als Besonderheit kommt noch die potenzielle Gefahr des Einsatzes von kleinen (- also ´nur´ mit der Zerstörungskraft des Mehrfachen der Hiroshima-Bombe -) Atomwaffen hinzu. (Dieser Hinweis ist aber nicht mehr erlaubt, denn er ist die Verbreitung eines Putin- Narratives.)

Wie können nur hoffen, dass Frankreich, Spanien, Italien etwas weitsichtiger sind als Klingbeil.

EU-Beitritt der Ukraine

Trotz allem Kriegselend, das die Ukraine zu erleiden hat und auf keinen Fall zu rechtfertigen ist, sollten dennoch die Beitrittskriterien für die EU von der Ukraine erfüllt werden.

So steht die Ukraine auf der Liste von Transparency International derzeit auf Platz 122 der europäischen Länder bezüglich der Korruption.

Laut Gewerkschaftsmonitor 2021 (also vor dem Krieg) der Friedrich-Ebert-Stiftung wollte die Regierung den Kündigungsschutz abschaffen, Null-Stunden-Verträge einführen und die Gewerkschaften deutlich schwächen.

Mit einem übereilten Beitritt der Ukraine zur EU hätten wir - auch ohne Krieg - vermutlich ähnliche Probleme wie mit Polen und Ungarn. Die Ausladung von Bundespräsident Steinmeier und die undiplomatische Verhaltensweise des Botschafters sprechen nicht unbedingt für eine Einhaltung der Beitrittskriterien.

Skepsis ist angebracht...

... bei solchen Forderungen. Die UKR ist weit davon entfernt auch nur irgendwelche Standards der EU zu erfuellen - das ist das eine. Das andere: Wenn die UKR in der EU ist aber nicht zeitgleich in der NATO - wir muessen uns diese allerwichtigste Frage stellen: Wird RUS dann wieder uebergriffig, z.B. beim erneuten Streit um die Krim, muss die EU militaerisch mitmachen oder kann sie ein Mitgliedsland im Kriegsfalle im Regen stehen lassen. Aehnlich verhaelt es sich mit Sicherheitsgarantien. Garantiert Deutschland mit, so waere es im gleichartigen Fall mit in der Buett - und ist dann, wenn man in eine physische Auseinandersetzung mit RUS kaeme, der Artikel 5 der NATO gewaehrleistet? Das sind "erster Weltkrieg"-Szenarien, wo ein total verflochtenes Buendnissystem in Europa zu dem verheerenden Krieg gefuehrt hat, wg. dem unbedeutenden Kleinstaat Serbien. Hilfen fuer die UKR ok, aber soviel mehr als RUS traue ich dem Land auch nicht ueber den Weg - bitte sachlich bleiben und nicht emotional motivierte Entscheidungen treffen, das hatten wir ja mit Merkel zu genuege - es waren vielfach die falschen Entscheidungen. Bezahlen muss die EU den Wiederaufbau sowieso, ob Mitglied oder nicht.