Online-Mitgliederkonferenz:

Scholz und SPD-Parteivorsitzende diskutieren über Sondierungspapier

Jonas Jordan20. Oktober 2021
Kanzlerkandidat Olaf Scholz und die Parteivorsitzenden Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken diskutieren mit SPD-Mitgliedern.
Kanzlerkandidat Olaf Scholz und die Parteivorsitzenden Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken diskutieren mit SPD-Mitgliedern.
„Nur für Mitglieder“ hieß es am Dienstagabend. Kanzlerkandidat Olaf Scholz und die Parteivorsitzenden Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken diskutierten eine Stunde lang mit 1.000 SPD-Mitgliedern über das ausgehandelte Sondierungspapier.

Das Besondere an diesem Wahlergebnis sei, „dass wir jetzt eine Regierung bilden und all die Herausforderungen angehen können“, sagt Olaf Scholz am Dienstagabend. Eine Stunde lang diskutieren der SPD-Kanzlerkandidat und die Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans in einer Online-Konferenz mit circa 1.000 Parteimitgliedern aus ganz Deutschland über das mit Grünen und FDP ausgehandelte Sondierungspapier. Dieses wurde am Freitag von den Parteispitzen der drei beteiligten Parteien vorgestellt. Es enthält viele zentrale Forderungen, mit denen die SPD im Wahlkampf angetreten war, wie die Erhöhung des Mindestlohnes auf zwölf Euro, die Einführung einer Kindergrundsicherung oder die Abschaffung von Hartz IV durch ein Bürgergeld.

Inzwischen haben die Gremien aller drei Parteien zugestimmt, in Koalitionsverhandlungen einzutreten. Am Montag soll es in 22 Arbeitsgruppen losgehen, wie Norbert Walter-Borjans am Dienstagabend den Mitgliedern berichtete. Rund 100 Personen nehmen laut dem SPD-Vorsitzenden je Partei an den Verhandlungen teil. Bereits am Donnerstagnachmittag kommen die jeweiligen Hauptverhandlungsgruppen sowie die Vorsitzenden der Arbeitsgruppen der drei Parteien zusammen. Der gemeinsame Nenner der beteiligten Parteien sei der Fortschritt, betonte Scholz während der Online-Mitgliederkonferenz. Zwar seien die Vorstellungen nicht identisch, doch es gäbe Schnittmengen, die nun im Papier festgehalten worden seien.

Esken: In Modernisierungsfragen von der Bremse

Beispielhaft nannte Scholz ein besseres Bafög, moderne Mobilität, ein stabiles Rentensystem und die technologische Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft. Der SPD-Kanzlerkandidat richtete seinen Blick allerdings nicht nur auf die anstehenden Koalitionsverhandlungen, sondern bereits einen Schritt weiter in die Zukunft: „Was wir erreichen wollen, ist nicht nur eine Regierung zu bilden, sondern dass die Leute, die uns gewählt haben, finden, wir haben das gut gemacht und wir dann in vier Jahren zu dritt gemeinsam wiedergewählt werden können.“

Saskia Esken wies darauf hin, dass das Sondierungspapier noch nicht der Koalitionsvertrag sei. „Es gibt viele Themen, über die wir da nichts geschrieben haben, bei denen wir uns aber durchaus einig sind, dass wir sie angehen müssen“, sagte die SPD-Vorsitzende. Grundsätzlich sei bereits von den Sondierungsgesprächen ein „Aufbruchgefühl“ ausgegangen, dass jetzt etwas losgehen könne. „Wir haben die letzten Jahre mit Partnern regiert, die bei vielen Modernisierungsfragen immer wieder auf der Bremse standen“, sagte Esken.

Walter-Borjans: Ein Bündnis für Aufbruch

Ihr Co-Vorsitzender Norbert Walter-Borjans sprach von einer respektvollen Atmosphäre, die Vertrauen geschaffen habe. „Wir wollen ein Bündnis hinkriegen, das einen Aufbruch in die Zukunft bewerkstelligen kann“, sagte er. Auf die Nachfrage eines Mitglieds räumte er ein, dass fiskalpolitische Umverteilung mit einem Partner wie der FDP natürlich deutlich schwieriger sei. Deswegen sei auch die von der SPD im Wahlkampf geforderte Wiedererhebung der Vermögenssteuer nicht umsetzbar. Es gelte, die gesetzten Ziele innerhalb der künftigen Koalition mit Respekt und auf Augenhöhe anzugehen.

Die Fragen der Teilnehmer*innen waren inhaltlich vielfältig. Max Pohlmann aus Hamburg fragte beispielsweise, wie es auf dem Weg zu einer europäischen Armee weitergehen könne. Monika Seidenspinner wollte wissen, was die drei Parteien zur Verbesserung des Tierschutzes im Bereich der Ernährungswende anstrebten. Manuel Jung interessierte sich insbesondere für die Besserstellung von Patchworkfamilien, während Nicole Limberg aus Recklinghausen nach der genauen Ausgestaltung des Bürgergeldes fragte. Dies werde sich, wie bei vielen Themen auch, im Laufe der Koalitionsverhandlungen zeigen, sagte Scholz. „Die Konzepte der drei Parteien sind unterschiedlich, aber es gibt ähnliche Aspekte, weswegen ich glaube, wir kriegen eine wirkliche Reform hin.“

Scholz: Nicht nur eine Regierung bilden, sondern eine größere Sache daraus machen

Zum Schluss versprach der Kanzlerkandidat: „Wir wollen nicht nur eine Regierung bilden, sondern daraus eine größere Sache machen und die Dinge umdrehen, die in letzter Zeit in die falsche Richtung gelaufen sind, in Europa, aber auch in Deutschland. Vielen Dank für die Teilnahme und die Unterstützung! Wir werden sie brauchen.“

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Kommentare

Sondierungspapier

Nach der Lektüre desw o.a. Papiers erkenne ich da keine sozialdemokratische Handschrift. Wie schnell wird das gehen mit der Umsetzung von 12 € Mindestlohn (ohne Ausnahme) ???? Minijobs dürfen dann auch weiterhin sozialversicherunspflichtige Jobs vernichten ? Was ist mit den Befristunegn ?
Und Überhaupt: Wann wir Cannabis endlich legalisiert ? das könnte die Politik auf der Grundlage dieses Sondierungspapiers vielleich erträglich erscheinen lassen.

Sondierungspapier

Leider blieb die Frage, die man als Mitglied zum Sondierungspapier stellen konnte, bisher unbeantwortet.

FDP-Generalsekretär Wissing hat heute nochmals die absolut notwendigen und auch unvermeidlichen Steueranpassungen abgelehnt. Wie soll demnach überhaupt das Programm realisiert werden, ohne dass wieder im sozialen Bereich gekürzt wird? Die m .E.einzig akzeptable und vernünftige Kürzung wäre im Kriegsetat möglich, dürfte aber nicht realisiert werden.

Negativ finde ich dazu, dass Baerbock weiterhin Nordstream 2 ablehnt, ohne eine Alternative zu nennen. Denn Fracking kann und darf keine Alternative sein!

So wird die neue Koalitionsregierung zwar die derzeit einzig richtige, aber ohne bedeutende Inhalte werden.

Sondierungspapier

Ich sehe im Sondierungspapier eine klar sozialdemokratische Handschrift und zwar z.B. in folgenden Punkten:

1. 12 Euro Mindestlohn im ersten Jahr der Regierung (also 2022)
2. Einlösung des Versprechens stabiler Renten (48 % Niveau keine
Erhöhung)
3. Bau von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr+ Evaluierung
Mieterschutzregelungen (wohne in München- bezahlbare Mieten
Hauptthema in den Betrieben..)
4. Überwindung von Hartz 4 durch Bürgergeld + Kindergrundsicherung
5 . Stärkung der Tarifbindung, Tarifpartner und Tarifautonomie.

In den Koalitionsverhandlungen wünsche ich mir, dass diese Punkte verlässlich und zügig umgesetzt werden.Beim Mindestlohn z.B. den 01.01.2022 - denke wäre ein tolles Zeichen an die hart arbeitenden Menschen in diesem Land.

Ansonsten drücke ich den VK die Daumen, dass man bei den Befristungen ,der Ausbildungsgarantie für junge Menschen gute Lösungen bekommt.

Wenn man bedenkt, wo wir als SPD noch vor 6 Monaten standen und was jetzt schon im Sondierungspapier steht, kann man total stolz sein.

Unter der Union hätte es von den Punkten 0 % gegeben. In diesem Sinne den VKn viel Glück und Geschick bei den Verhandlungen.

Sozialdemokratische Handschrift oder Mehr?

Das Bedürfnis nach Erfolgsmeldungen kann ich verstehen.
Aber: "unter" der Union ist der Mindestlohn eingeführt worden, und die Mindestlohnkommission empfiehlt für 2022 eine Anhebung auf 10,45€.
Ein "Dokument der Mutlosigkeit" nennt es die ZEIT, ein "Dokument der Mitte" ist das Sondierungspapier für Lindner. Friedrich Merz verkündet: "das hätten wir auch haben können", das Papier sei als Grundlage einer Regierung Merkel V geeignet.
Wir werden Schwierigkeiten haben, unseren Wählerinnen und Wählern zu beweisen, dass so ein sozialdemokratisches Jahrzehnt beginnt. Die Formel von der "sozialdemokratischen Handschrift" signalisiert eher den Abbruch eines Aufbruchs und das freiwillige Verbleiben der SPD im Status der Subalternität. Also in der Mitte.

Sehen wir mal, was kommt. Ist die Regierung gebunden, ist die Partei gefragt.