Italien

Schicksalswahl in der Krise

Michael Braun21. Februar 2013

Wer wird neuer Ministerpräsident in Italien? Am 24. und 25. Februar entscheidet sich, welchen Kurs das krisengeplagte Land künftig einschlägt. Die Folgen könnte auch Europa zu spüren bekommen.

Italien erlebte im Jahr 2012 und in den ersten Monaten des Jahres 2013 seine schwerste Rezession seit 1945. Der in der Euro-Krise eingeschlagene Austeritätskurs der Expertenregierung Mario Montis schlug sich umgehend in einer harten Rezession nieder. Im Jahr 2012 schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt Italiens um etwa 2,5 Prozent, und auch für das Jahr 2013 wird erneutes Negativwachstum erwartet. Mit dieser Entwicklung gingen ein deutlicher Wohlstandsverlust bei der Bevölkerung und der Anstieg der Arbeitslosigkeit auf über elf Prozent einher.

Italiens Bürgerinnen und Bürger stehen deshalb am 24. und 25. Februar vor einer Krisenwahl im wahrsten Sinne des Wortes: Mit ihrem Votum befinden sie darüber, wem sie zuvorderst die Verantwortung für die Krise zuschreiben, sie befinden aber auch darüber, welchen Rezepten zur Überwindung der Krise und zur sozialen Verteilung ihrer Lasten sie am ehesten trauen.

Pro-europäischer Stabilitätskurs oder europaskeptische Rebellion?

Als Favorit auf den Wahlsieg Ende Februar gilt Pierluigi Bersani, Vorsitzender der „ Partito Democratico“ (PD), der als Spitzenkandidat der gemäßigt linken Allianz seiner Partei und der Partei Sinistra Ecologia Libertà (SEL – Linke, Ökologie, Freiheit) antritt. Die PD stellt einerseits die Fortsetzung des von Mario Monti eingeleiteten Stabilitätskurses in Aussicht; andererseits will sie ein stärkeres soziales Austarieren der Krisenlasten, zum Beispiel durch eine progressive Gestaltung der Grundsteuer oder durch eine Verschärfung des Kampfes gegen die endemische Steuerhinterziehung. Zudem fordert sie, dass neben die nötigen Sparmaßnahmen Wachstumsimpulse treten, um die rezessiven Effekte eines reinen Sparkurses zu verhindern. Die gemäßigte Links-Allianz unter Führung der PD liegt in den letzten Meinungsumfragen bei etwa 35 Prozent.

Auch das gemäßigte Mitte-Rechts-Lager unter Mario Monti, das sich unmittelbar vor den Wahlen neu formiert hat, setzt auf eine klar pro-europäische Linie. Die Kontinuität mit den rigiden Sparmaßnahmen seiner eigenen Regierung, die Notwendigkeit zudem, weitere Liberalisierungsschritte etwa auf dem Arbeitsmarkt durchzusetzen, stehen im Mittelpunkt seines Programms. Montis Allianz kann nach allen Meinungsumfragen im Zeitraum Januar bis Februar 2013 auf nur etwa 15 Prozent der Wähler hoffen.

Wiedererstarken der Rechten

Einen vordergründig überraschenden Aufschwung erlebte dagegen Silvio Berlusconis populistische Rechte im Wahlkampf. Berlusconi gelang es, die Allianz seiner Partei Popolo della Libertà (PdL – Volk der Freiheit) mit der rechtspopulistisch-fremdenfeindlichen Lega Nord wieder aufzulegen. Vor allem aber gelang es ihm, sich zum zentralen Opponenten rigider Austeritätspolitik und eines „deutschen Europa“ aufzuschwingen. Berlusconi verspricht, im Falle eines Wahlsiegs bekomme Kanzlerin Angela Merkel „eine andere Musik gespielt“. Zwar kann er nicht mehr darauf hoffen, wie noch im Jahr 2008 mit seiner Partei etwa 37 Prozent, mit seinem Bündnis gar 47 Prozent zu gewinnen, doch die jüngsten Meinungsumfragen lassen ein Resultat von 27 bis 30 Prozent möglich erscheinen.

Klar europaskeptisch positioniert sich auch die vierte Kraft im Wahlkampf, die Protestliste Movimento 5 Stelle (M5S – 5-Sterne-Bewegung) unter dem Komiker Beppe Grillo. Grillo hat diese Bewegung in den letzten Jahren mit oft demagogischer Polemik gegen die „Altparteien“ und die „Politikerkaste“ aufgebaut. Europäische Verträge wie den Fiskalpakt stellt Grillo offen zur Disposition, zu einem eventuellen Ausstieg aus dem Euro kann er sich auch ein Referendum in Italien vorstellen.

Folgenreiches Votum der Italiener

Das am 24. und 25. Februar anstehende Votum kann also extrem folgenreich für Italien sein. Nur im Falle eines Sieges der gemäßigten Linken oder eines Resultates, das eine Koalitionsregierung zwischen ihr und dem gemäßigten Mitte-Rechts-Block unter Mario Monti erlaubt, kann Italien darauf hoffen, nicht erneut zum Objekt offenen Misstrauens der Finanzmärkte, der EU-Institutionen und der europäischen Staatskanzleien zu werden. Vor diesem Hintergrund wäre ein Votum, das Berlusconi auch nur eine Sperrminorität im Senat – ganz zu schweigen von einer Mehrheit im Abgeordnetenhaus – einräumt, in den Augen der internationalen Öffentlichkeit das völlige Dementi des mit dem Rücktritt Berlusconis im November 2011 eingeschlagenen Wegs zur Stabilisierung und zu internationaler Vertrauenswürdigkeit. Ein solches Votum würde das Land einer gravierenden internationalen Vertrauenskrise und damit ökonomischen ebenso wie politischen Erschütterungen aussetzen. Zudem hätte es womöglich weitreichende negative Folgen auch auf den weiteren Verlauf der Euro-Krise insgesamt.