Lehren aus Wirecard

Wie Olaf Scholz Unternehmen künftig besser kontrollieren will

Kai Doering29. Juli 2020
Vorsätzlich hat der Finanzdienstleister „Wirecard“ seine Bilanzen gefälscht und damit Schäden in Milliardenhöhe angerichtet. Bundesfinanzminister will Unternehmen nun besser kontrollieren.
Vorsätzlich hat der Finanzdienstleister „Wirecard“ seine Bilanzen gefälscht und damit Schäden in Milliardenhöhe angerichtet. Bundesfinanzminister will Unternehmen nun besser kontrollieren.
Mit Bilanzmanipulationen hat der Zahlungsdienstleister „Wirecard“ Schäden in Milliardenhöhe verursacht. Um ähnliches künftig zu verhindern, will Bundesfinanzminister Olaf Scholz börsennotierte Unternehmen besser kontrollieren. Die Finanzaufsicht (BaFin) soll mehr Befugnisse erhalten.

Als Lehre aus dem Betrugsskandal beim Zahlungsdienstleister „Wirecard“ will Bundesfinanzminister Olaf Scholz die Kontrolle börsennotierter Unternehmen in Deutschland neu organisieren und schlägt dafür eine umfassende Reform der Finanzaufsicht vor. „Ich möchte eine schlagkräftige Behörde“, kündigte Scholz in der „Zeit“ an. Die BaFin soll deshalb erweiterte Durchgriffsrechte erhalten, um effektiv und frühzeitig gegen Bilanzbetrug vorgehen zu können. Dafür soll ein direktes staatliches Sonderprüfungsrecht bei Verdacht auf Bilanzbetrug eingeführt werden.

Die BaFin soll mehr Befugnisse erhalten

So hat es der Bundesfinanzminister in einem „Aktionsplan“ zusammengefasst, der nun innerhalb der Bundesregierung abgestimmt werden soll. Kern der Vorschläge ist ein Sonderprüfungsrecht einer staatlichen Stelle, wenn ein Verdacht auf Bilanzbetrug vorliegt. Hierzu sollen die Kompetenzen der BaFin erweitert werden. Bislang ist eine Prüfung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht nur in einem zweiten Schritt vorgesehen, wenn an der ordnungsgemäßen Durchführung der ersten, privat vorgenommenen Prüfung erhebliche Zweifel bestehen.

„Mein Ziel ist außerdem, dass die BaFin mehr in Richtung der amerikanischen Finanzaufsicht SEC geht, die umfassendere Befugnisse hat und gegenüber den Finanzunternehmen mit einem großen Selbstbewusstsein auftritt“, sagte Scholz der „Zeit“. Auch das System der privaten Wirtschaftsprüfer will der Finanzminister reformieren. „Wir brauchen vor allem Wirtschaftsprüfer, die wirklich prüfen.“

Wirtschaftsprüfer sollen schneller rotieren

Was wie eine Selbstverständlichkeit klingt, trifft oft nur in er Theorie zu: Die vier wichtigsten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die große börsennotierte Unternehmen prüfen, können dies bisher über einen Zeitraum von zehn Jahren machen. Zudem ist eine Verlängerung um weitere zehn Jahre möglich. Dies kann eine ungesunde Nähe zwischen Prüfer und Geprüften schaffen. „Ich bin für schnellere Rotation“, sagt Scholz. Auch müssten Wirtschaftsprüfer besser durch den Staat kontrolliert werden.

Und: Prüfung und Beratung sollen nach Scholz‘ Willen voneinander getrennt werden. „Heute ist es so, dass Wirtschaftsprüfer oft die Jahresergebnisse eines Unternehmens abnehmen und dieses in Steuer- oder Strategiefragen beraten. Das führt zu Interessenkonflikten“, so der Finanzminister. Um die Aufdeckung von Missständen zu erleichtern, sollen zudem Hinweisgeber aus Unternehmen, sogenannte Whistleblower, künftig besser geschützt werden.

Erste Schritte hat Scholz bereits unternommen. So wurde der Vertrag mit der privaten Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) Ende Juni gekündigt. Die DPR hatte bisher im Rahmen des Bilanzkontrollverfahrens auf Verlangen der BaFin Unternehmensabschlüsse kontrolliert. Bei „Wirecard“ hatten mehrfache Prüfungen allerdings keine Ungereimtheiten ergeben.

weiterführender Artikel

Kommentare

Falsche Seite !?

Sehr spät, reagiert der Finanzminister, unser Genosse Olaf Scholz, auf die Mängel in der Finanzaufsicht, von denen er mindestens seit einem Jahr wissen musste.! Aufgedeckt wurden, wie längst bekannt ist, die Bilanzfälschungen bei Wirecard von Journalisten der Financial-Times die danach, statt sie als Aufklärer in´s Boot zu holen, auf Initiative der Bafin von den Kriminalbehörden verfolgt wurden ! Wieder einmal wurden die Aufklärer verfolgt statt einer kriminellen Bande von Betrügern.
Das Schlimme ist: Es kommt noch schlimmer. Soweit in den Medien veröffentlicht, musste unser Genosse Finanzminister in diesem Wissen sich für diese Betrügerbande eingesetzt haben, zusammen mit bekannten Persönlichkeiten auch des Koalitionspartners CDU/CSU.
Deutlicher kann ein Genosse nicht auf der falschen Seite stehen !!!
Truely Sozialdemokrat ? Die Reform der Bankenaufsicht ist sicher richtig und überfällig. Kommt aber sehr spät und es wird medial breit mglw. zurecht in den Raum gest., dass unser Genosse hier von seinem frühen Wissen um die Verdachtsmomente und seinem Nichthandeln ablenken will ! Ich sehe hier wenig Bereitschaft von Olaf Scholz zur Aufklärung ! Dies schadet unserer SPD !!

Verantwortung der ganzen Regierung

Fehler die gemacht wurden betreffen wenn überhaupt die Bundesregierung als ganzes, nicht den Finanzminister speziell. Wichtig ist es, genau aufzuklären, und die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Als Partei müssen wir den Minister schützen und solidarisch unterstützen, und gleichzeitig die Verantwortung von anderen, etwa der Kanzlerin und des Wirtschaftsministers, beleuchten.

Olaf Scholz hat insgesamt einen guten Job gemacht und ist die logische Auswahl für die Spitzenkandidatur im nächsten Jahr. Von den wenigen Kandidaten mit dem entsprechenden Format scheint er auch der einzige zu sein, der zu dieser Aufgabe überhaupt bereit ist.

Da der Wahlkampf im nächsten Jahr von den Themen Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit dominiert werden wird, ist es sowieso sinnvoll, den ehemaligen Arbeitsminister und jetzigen Finanzminister zu nehmen. Letztlich sollten alle froh sein, dass überhaupt jemand bereit ist, dieses Himmelfahrtskommando zu machen.

da hör ich doch das

SED Liedgut heraus, "die Partei, die Partei, die hat immer recht". Nein, wer versagt im Amt, tut der Partei keinen Gefallen, wenn er am Sessel kleben bleibt