
Als Lehre aus dem Betrugsskandal beim Zahlungsdienstleister „Wirecard“ will Bundesfinanzminister Olaf Scholz die Kontrolle börsennotierter Unternehmen in Deutschland neu organisieren und schlägt dafür eine umfassende Reform der Finanzaufsicht vor. „Ich möchte eine schlagkräftige Behörde“, kündigte Scholz in der „Zeit“ an. Die BaFin soll deshalb erweiterte Durchgriffsrechte erhalten, um effektiv und frühzeitig gegen Bilanzbetrug vorgehen zu können. Dafür soll ein direktes staatliches Sonderprüfungsrecht bei Verdacht auf Bilanzbetrug eingeführt werden.
Die BaFin soll mehr Befugnisse erhalten
So hat es der Bundesfinanzminister in einem „Aktionsplan“ zusammengefasst, der nun innerhalb der Bundesregierung abgestimmt werden soll. Kern der Vorschläge ist ein Sonderprüfungsrecht einer staatlichen Stelle, wenn ein Verdacht auf Bilanzbetrug vorliegt. Hierzu sollen die Kompetenzen der BaFin erweitert werden. Bislang ist eine Prüfung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht nur in einem zweiten Schritt vorgesehen, wenn an der ordnungsgemäßen Durchführung der ersten, privat vorgenommenen Prüfung erhebliche Zweifel bestehen.
„Mein Ziel ist außerdem, dass die BaFin mehr in Richtung der amerikanischen Finanzaufsicht SEC geht, die umfassendere Befugnisse hat und gegenüber den Finanzunternehmen mit einem großen Selbstbewusstsein auftritt“, sagte Scholz der „Zeit“. Auch das System der privaten Wirtschaftsprüfer will der Finanzminister reformieren. „Wir brauchen vor allem Wirtschaftsprüfer, die wirklich prüfen.“
Wirtschaftsprüfer sollen schneller rotieren
Was wie eine Selbstverständlichkeit klingt, trifft oft nur in er Theorie zu: Die vier wichtigsten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die große börsennotierte Unternehmen prüfen, können dies bisher über einen Zeitraum von zehn Jahren machen. Zudem ist eine Verlängerung um weitere zehn Jahre möglich. Dies kann eine ungesunde Nähe zwischen Prüfer und Geprüften schaffen. „Ich bin für schnellere Rotation“, sagt Scholz. Auch müssten Wirtschaftsprüfer besser durch den Staat kontrolliert werden.
Und: Prüfung und Beratung sollen nach Scholz‘ Willen voneinander getrennt werden. „Heute ist es so, dass Wirtschaftsprüfer oft die Jahresergebnisse eines Unternehmens abnehmen und dieses in Steuer- oder Strategiefragen beraten. Das führt zu Interessenkonflikten“, so der Finanzminister. Um die Aufdeckung von Missständen zu erleichtern, sollen zudem Hinweisgeber aus Unternehmen, sogenannte Whistleblower, künftig besser geschützt werden.
Erste Schritte hat Scholz bereits unternommen. So wurde der Vertrag mit der privaten Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) Ende Juni gekündigt. Die DPR hatte bisher im Rahmen des Bilanzkontrollverfahrens auf Verlangen der BaFin Unternehmensabschlüsse kontrolliert. Bei „Wirecard“ hatten mehrfache Prüfungen allerdings keine Ungereimtheiten ergeben.