Debatte im Bundestag

Olaf Scholz: „Starke EU ist das wichtigste Anliegen Deutschlands“

Lars Haferkamp25. Februar 2021
Olaf Scholz am 25. Februar 2021 im Bundestag: „Wir können nur gemeinsam handeln und nur gemeinsam erfolgreich sein.“
Olaf Scholz am 25. Februar 2021 im Bundestag: „Wir können nur gemeinsam handeln und nur gemeinsam erfolgreich sein.“
Der Bundestag macht den Weg frei für den kreditfinanzierten Wiederaufbau Europas als Folge der Corona-Pandemie. Dabei lobte Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz den Einstieg in eine gemeinsame europäische Finanzpolitik.

Der Bundestag hat am Donnerstag in erster Lesung das so genannte Eigenmittelbeschluss-Ratifizierungsgesetz beraten. Damit sollen die EU-Beschlüsse zur gemeinsamen Kreditaufnahme und zum Wiederaufbau Europas umgesetzt werden, um die vielfältigen Folgen der Corona-Pandemie zu bewältigen.

Scholz: „Die EU steht vor einer Weggabelung“

Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz bekannte sich dabei im Bundestag nachdrücklich zu einer gemeinsamen europäischen Politik. „Die Europäische Union steht vor einer Weggabelung“, so Scholz. „Wir haben einen gemeinsamen Markt geschaffen, eine gemeinsame Währung, und beides hilft uns, gut durch die Krise zu kommen“, wie man in den letzten Jahren und Jahrzehnten erlebt habe.

„Und jetzt müssen wir entscheiden, wie es weitergehen soll“, sagte Scholz. „Denn eine starke Europäische Union, das ist das, was wir brauchen, um auch gegen die gegenwärtige Krise anzugehen.“ Scholz brachte es so auf den Punkt: „Eine starke Europäische Union ist für uns das wichtigste nationale Anliegen, das Deutschland hat.“

Europa handelt gemeinsam

Die Corona-Pandemie zeige: „Wir können nur gemeinsam handeln und nur gemeinsam erfolgreich sein.“ Deshalb sei der Eigenmittelbeschluss, „ein ganz ganz wichtiger Schritt nach vorne“. Er sei „ein Zeichen dafür ist, dass Europa in der Lage ist, gemeinsam zu handeln“.

Damit vollende Europa etwas, „was uns über viele viele Jahre als Problem erschienen ist“. Immer wieder sei in den Debatten über den gemeinsamen Markt und die gemeinsame Währung beklagt worden, „dass es keine Fiskalunion gibt“ – also keine gemeinsame europäische Finanzpolitik – und Europa hier „unvollendet“ sei. „Jetzt in dieser Krise sind wir den Schritt gegangen, den wir gehen müssen, um in eine Fiskalunion hineinkommen zu können.“ Das geschehe nun mit dem Eigenmittelbeschluss.

Das ist europäische Solidarität

„Wir werden, um eine starke Antwort auf die Krise geben zu können, jetzt Kredite aufnehmen als Union“, so Scholz weiter. „Wir werden diese Kredite einsetzen, um den Staaten Europas zu helfen, durch die Krise zu kommen.“ Das bedeute, jetzt das Notwendige zu finanzieren, zum Beispiel den Wiederaufbau Europas in den besonders von der Krise betroffenen Regionen. „Das ist europäische Solidarität. Und die wird mit diesen Beschlüssen auch organisiert.“

So schaffe man „eine klare Perspektive für den Wiederaufbau“ in der EU. Das gelte etwa für Zukunftsinvestitionen in die Digitalisierung und in das Aufhalten des Klimawandels. „Es wird nicht nur diese Krise bekämpft, es werden auch die Grundlagen für eine bessere Zukunft in Europa gelegt“, betonte der Bundesfinanzminister.

Europa ist in der Krise zusammengewachsen

Scholz erinnerte daran, wie groß die Probleme waren, die EU-Finanzen zu organisieren, als es um die Bewältigung der Bankenkrise von 2008 und der daraus folgenden Staatsschuldenkrise ging. „Aber jetzt gibt es keine ernsthaften Schwierigkeiten, trotz der hohen Schulden, die gemacht werden.“ Das sei das Ergebnis „gemeinsamen europäischen Handelns und europäischer Solidarität.“ Deshalb sei „Europa in dieser Krise auch mehr zusammengewachsen“.

Das gelte auch dann, wenn man Kritik an der EU übe, betonte der SPD-Kanzlerkandidat. „Es ist nicht richtig gewesen, dass nicht mit der nötigen Energie und Forschheit gehandelt worden ist, um ausreichend Impfstoffe für Europa zu beschaffen“, stellte er klar. Damit spreche man aber nicht gegen Europa, „sondern es spricht dafür, Europa stark zu machen und das tun wir“.

Scholz: Kredite nicht nur aufnehmen, sondern auch zurückzahlen

Zum gemeinsamen europäischen Weg gehöre allerdings auch, „nicht nur Kredite aufzunehmen, sondern sie auch zurückzuzahlen“. Das bedeute, auch die nächsten nötigen Entscheidungen zu treffen, „nämlich dafür zu sorgen, dass es zur Finanzierung auch europäische Einnahmen gibt“. Das gelte etwa für Einnahmen aus dem Klimahandel, der Finanztransaktionssteuer und die Besteuerung digitaler Konzerne. so der Bundesfinanzminister.

Beim Eigenmittelbeschluss-Ratifizierungsgesetz geht es um die Umsetzung der Beschlüsse des EU-Gipfels vom Dezember 2020. Darin wurde vereinbart, dass die EU auch Kredite, so genannte Eigenmittel, aufnehmen kann. Dieser Beschluss basiert auf der Einigung der Staats-und Regierungschefs vom Juli 2020.

Verlässlicher Rahmen für EU-Finanzen

Die EU hatte sich konkret auf einen „Mehrjährigen Finanzrahmen“ (MFR 2021-2027) und das neue temporäre Aufbauinstrument „Next Generation EU“ (NGEU) geeinigt. Es soll einen verlässlichen Rahmen für die Aufgaben der EU in den nächsten Jahren schaffen und die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Pandemie in den Mitgliedstaaten eindämmen. Der Eigenmittelbeschluss des Bundestages regelt die wesentlichen Grundlagen der Finanzierung dieser Maßnahmen.

Um das Aufbauinstrumentes NGEU zu finanzieren, wird die EU-Kommission ermächtigt, Mittel bis zu einem Betrag von 750 Mrd. EUR am Kapitalmarkt aufzunehmen. Die Aufnahme dieser Kredite und auch die ersten Auszahlungen aus dem Aufbauinstrument NGEU an die Mitgliedstaaten können erst beginnen, wenn der neue Eigenmittelbeschluss in Kraft getreten ist. Das erfordert, dass er in allen Mitgliedstaaten ratifiziert wurde. Damit hat der Bundestag nun begonnen.

Rückzahlung soll aus EU-Haushalt erfolgen

Die der EU-Kommission übertragene Befugnis zur Kreditaufnahme ist hinsichtlich Höhe, Dauer und Zweck klar begrenzt. Die Mittel werden über den MFR für Ausgaben verwendet sowie als Darlehen an die Mitgliedstaaten vergeben – allerdings nur zur Verwendung im Rahmen des Aufbauinstrumentes NGEU zur Bewältigung der Folgen der Corona-Krise. Die Rückzahlung der Kredite, die zur Finanzierung von Ausgaben aufgenommen wurden, erfolgt aus dem EU-Haushalt.

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Kommentare

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warten auf EU?

Ausgerechnet die "Bewältigung" der Bankenkrise, wo überdeutlich die Folgen der verheerenden Folgen nationaler Auswüchse neoliberalen Größenwahns sozailisiert und auf den Schultern des ärmeren Teils der Bevölkerung abgeladen wurde als Beispiel für ein gelingendes Europa anzuführen halte ich für sehr verräterisch! Das kann nicht unser SPD-Credo sein! Auch wird die EU zu gerne als Ausrede für die eigene nationale politische Zurückhaltung benutzt (Bsp.ausbleibende Finanztransaktionssteuer!). Wer politisch glaubhaft und erfolgreich sein will, muss auch den Mut haben national voranzugehen (s.Macron!). Die EU sollte nicht dazu dienen eigenes politisches Versagen mit "Warten auf EU" zu kaschieren ! Eine gerechte und nachhaltige EU kann nur aus gerechten und nachhaltigen Nationalstaaten entstehen !