
In der Debatte über den Militäreinsatz in Syrien verschärft sich der Ton gegenüber der Türkei auch von der SPD. Die kommissarische Parteivorsitzende Malu Dreyer brachte Wirtschaftssanktionen gegen die Türkei ins Gespräch. „Sollte Ankara nicht einlenken, können Wirtschaftssanktionen der nächste Schritt sein“, sagte Dreyer Medienberichten zufolge der Nachrichtenagentur dpa. Darüber hinaus forderte sie ein realistisches Vorgehen mit besonnener Diplomatie und direkten Gesprächen. „Der EU-weite Stopp der Waffenlieferungen zeigt, dass sich die Türkei immer weiter isoliert.“
Mützenich: „Meine Zweifel an der Türkei sind gewachsen.“
Ein Punkt den auch Rolf Mützenich, Fraktionsvorsitzender der SPD im Bundestag, aufgriff. Er brachte ein vollständiges Waffenembargo ins Gespräch, also einen kompletten Stopp von Rüstungsexporten an die Türkei. Aufgrund der jüngsten Entwicklungen äußerte Mützenich außerdem Zweifel an der Nato-Partnerschaft der Türkei. Seiner Ansicht nach verletzt der Militäreinsatz die Grundsätze der Nato.
„Die Invasion der türkischen Streitkräfte in Nordsyrien ist keineswegs durch das Selbstverteidigungsrecht gedeckt“, erklärte er gegenüber der Funke-Mediengruppe. Die Verantwortung für die Bewertung trägt nach Ansicht von Mützenich aber der Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. „Er wird sagen müssen, ob er weiter von der Verlässlichkeit der Türkei überzeugt ist.“ Für den Fraktionschef ist klar: „Meine Zweifel an der Türkei sind gewachsen.“
Vor mehr als zwei Wochen hatte die Türkei eine Militäroffensive auf syrischem Gebiet gestartet – nach eigenen Angaben, um eine Sicherheitszone in Nordsyrien einzurichten. Vor allem die von Ankara als Terrororganisation eingestufte kurdische Miliz YPG soll so von der türkischen Grenze zurückgedrängt werden. Die Kurden, die bis zum Abzug von den amerikanischen Streitkräften unterstützt worden waren, zogen sich aus den Gebieten zurück. Unterdessen haben sich der türkische Präsident Erdogan und Kreml-Chef Putin auf eine gemeinsame Kontrolle der Region geeinigt.
Maas: „Unser erstes Ziel muss eine Waffenruhe sein.“
Am Samstag wird Außenminister Heiko Maas in die Türkei reisen, um über eine Lösung des Nordsyrien-Konflikts zu sprechen. „Unser erstes Ziel muss eine Waffenruhe sein. Darauf werde ich auch bei meinem Besuch in Ankara drängen“, sagte Maas gegenüber dem „vorwärts“. Nur wenn die Waffen schwiegen, könne Deutschland humanitär helfen. „Die Waffenruhe muss eingehalten und die Zivilbevölkerung geschützt werden“, fordert Maas. Beim Umgang mit Flüchtlingen müsse die Türkei internationales Recht einhalten. „Wir wie alle anderen Beteiligten erwarten von der Türkei, dass sie gerade jetzt den politischen Prozess unter der Ägide der Vereinten Nationen unterstützt.“
Langfristig müsse es um eine Nachkriegsordnung und den Wiederaufbau des Landes gehen. „Dafür werden Deutschland und die EU gebraucht und deshalb kann es nicht sein, dass die Türkei und Russland Syrien unter sich aufteilen.“