Sozen-Wirtschaft

Kampf gegen die Inflation: Die Schuldenbremse wird zum Hindernis

Gustav Horn15. Juni 2022
Missbrauch strafbar: In der Inflation werden die Probleme der Schuldenbremse offensichtlich.
Missbrauch strafbar: In der Inflation werden die Probleme der Schuldenbremse offensichtlich.
In Zeiten steigender Preise werden die Probleme der Schuldenbremse offensichtlich. Statt die Inflation zu bremsen, trägt die Schuldenbremse zu ihrem Fortbestehen bei. Sie sollte ersetzt werden.

„Wir werden 2023 die Schuldenbremse einhalten“, postuliert Bundesfinanzminister Christian Lindner. Das ist nach einem Jahr 2022 mit einem Budgetdefizit von voraussichtlich knapp 80 Milliarden Euro das sind 2,0 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, ein ehrgeiziges Unterfangen. Schließlich müssten die öffentlichen Haushalte gegen die erwartete mittlere Konjunkturlage nach den  Bestimmungen der Schuldenbremse nahezu ausgeglichen sein. Will der Bundesfinanzminister dies erreichen, sind massive Einsparungen erforderlich. Das ist schon haushalterisch eine große Herausforderung, aber ist diese Anstrengung jenseits der rechtlichen Bestimmungen ökonomisch überhaupt sinnvoll?

Eine andere Situation als in den 70er Jahren

Der Bundesfinanzminister versteht die geplanten Sparmaßnahmen als einen maßgeblichen Beitrag zur Inflationsbekämpfung. Durch die verringerten Ausgaben des Staates würde die gesamtwirtschaftliche Nachfrage gedämpft und damit die Knappheiten auf der Angebotsseite verringert, der Druck in Richtung steigende Preise, ließe nach, lautet seine Argumentation. Das ist in der Tat eine übliche Begründung für eine auf strikte Sparsamkeit angelegte Finanzpolitik in Zeiten hoher Inflationsraten.  

Doch in der heutigen Zeit trägt die Begründung nicht. Es besteht ein gravierender Unterschied zu den Siebziger Jahren als die damals aufkeimende Inflation aus einer Kombination von Nachfrageboom und einem negativen Angebotsschock in Gestalt durch das OPEC-Kartell stark erhöhter Ölpreise entsprang. Zwar spielen auch derzeit negative Angebotsschocks, die durch die Probleme in den Lieferketten und dem Krieg in der Ukraine hervorgerufen werden, eine große Rolle. Aber die Lage der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage ist anders. 

Es gibt derzeit keinen allgemeinen Nachfrageboom. Denn die Löhne und damit die Arbeitseinkommen sind in den vergangenen Jahren nur maßvoll gestiegen. Das war in den Siebziger Jahren anders. Vor diesem Hintergrund ist es schlicht unnötig, die Nachfrage durch eine sparwütige Fiskalpolitik oder durch hohe Zinsen der Geldpolitik zu bremsen. Es ist sogar gefährlich, denn mit einem solchen Kurs droht ein konjunktureller Absturz mit  hoher Arbeitslosigkeit als Folge.

Es muss massiv investiert werden

Die eigentlichen Probleme liegen auf der Angebotsseite. Es fehlt an allen Ecken und Enden. Vorprodukte sind weder rechtzeitig noch in genügenden Mengen vorhanden. Weltweit sind wegen der Staus in chinesischen Häfen Transportkapazitäten knapp. In von der Pandemie besonders gebeutelten Branchen fehlt das Personal, das sich mittlerweile nach anderen und besseren Jobs umgesehen hat, und schließlich fehlt es am Angebot an Erneuerbaren Energien, die den absehbaren Ausfall der russischen Lieferungen ersetzen und den Umstieg in eine nachhaltige Produktion ermöglichen könnten.

An diesen Stellen liegen denn auch die Wurzeln der derzeitigen Preisschübe und hier muss der Kampf gegen die Inflation ansetzen. Dies geht aber nur, wenn massiv investiert wird, um speziell diese Engpässe zu überwinden. Hierzu sind sowohl erhebliche öffentliche als auch private Investitionen erforderlich.

Inflationsbekämpfung geht heute anders

Genau an dieser Stelle wird die Schuldenbremse zum Hindernis. Sie unterscheidet nicht zwischen öffentlichen Investitionen und öffentlichem Konsum. Ihre ohnehin schwierige Einhaltung im kommenden Jahr wird daher mit hoher Wahrscheinlichkeit, die notwendige Ausweitung der öffentlichen Investitionen behindern. Die Einhaltung der Schuldenbremse bewirkt damit am Ende das Gegenteil dessen, was der Finanzminister beabsichtigt, sie lässt die grundlegenden Ursachen der Inflation fortbestehen und trägt damit sogar zu einer verfestigten Inflationstendenz bei.

Ein relativ einfacher Ausweg aus dieser Malaise wäre, zu beschließen, die Notfallklausel für ein Aussetzen der Schuldenbremse im Angesicht des Krieges in der Ukraine weiter anzuwenden. Besser und nachhaltiger wäre es, sie zu reformieren und auf konsumtive Ausgaben zu beschränken. Noch besser wäre es, sie ganz abzuschaffen und durch eine vernünftige ökonomische Orientierung für die Budgetpolitik zu ersetzen. Aber das dürfte angesichts der langjährigen Prägungen deutscher Wirtschaftspolitik aktuell zu viel verlangt sein. Nur: Inflationsbekämpfung geht heute anders.                      

weiterführender Artikel

Kommentare

Ursachen der Inflation kann der Finanzminister nicht beseitigen

Denn es waren und sind die von Bundes- wie Länderregierungen beschlossenen 'Pandemie-Massnahmen', die der Wirtschaft und den Bürgern schadeten und schaden. Da muss man erst wieder zu Vernunft und Verstand kommen.

Und die russischen Lieferungen von Energieträgern [Steinkohle, Erdöl, Erdgas] fallen nicht einfach so aus, sondern werden von der Bundesregierung boykottiert, und zwar ohne grosse Not und ohne Alternativen, weil man zu allem Überfluss auch noch die deutschen Kernkraftwerke abschaltete und abschalten will.

Die Inflation ist also selbsterzeugt. Inflation aber ist immer Geldentwertung, Wohlstandsvernichtung und Armutserzeugung. Da muss man mal fragen, warum man das tut.

Und komme mir keiner mit "Erneuerbaren Energien" und "nachhaltiger Produktion". Technisch-wissenschaftliche Fragen kann man nicht durch Ideologie beantworten, sondern nur durch zu erbringende technisch-wissenschaftliche Leistungen. Dafür braucht man Naturwissenschaftler, Ingenieure, Techniker und Facharbeiter sowie Ökonomen.

EZB ist der

verantwortlich, immer mehr Geld- das Produkte suchte, erst Flächen und Wohnungen, nachfrage größer als Angebot, so treibt man die Inflation in die Höhe
In der Schweiz ist von Inflation nichts zu spüren- die haben eine eigenständige Geldpolitik, die hatten wir auch mal, als es die Bundesbank noch gab

Eigenständige Geldpolitik mit € aufgegben

Das aber wäre nicht ganz so schlimm, würde man ab 2008 Spekulanten und Banken nicht auf Kosten der Steuerzahler aus der von Spekulanten und Banken erzeugten Bankenkrise herausgekauft haben.

nein, nicht die Schuldenbremse

wird zum Hindernis. Die Missachtung der Schuldenbremse erweist sich als Ursache der Inflation

Bedenken

Es sollte ja auch mal bedacht werden, daß durch die "Schuldenbremse" seit Jahren öffentliche Investitionen in die Energiewende be- und verhindert wurden. Das schint jetzt zu fehlen wo es gegen diesen bösen Putin geht. Aber den Parteien und Politikern uniso die Schuld zu geben, die das in den letzten 10 Jahren versäumt haben geht ja auch nicht.