
Die Bundesländer haben sich im Kampf gegen das Corona-Virus im März auf weitreichende Einschränkungen des öffentlichen Lebens verständigt. Wirken sie?
Die Maßnahmen wirken. Durch die Kontaktbeschränkungen und die daran gekoppelten Maßnahmen, z.B. im Einzelhandel, konnten wir die Verbreitungsgeschwindigkeit deutlich senken. Das ist das Ergebnis einer großen gemeinsamen Anstrengung der Bevölkerung zugunsten der Risikogruppen. Als Sozialdemokrat sage ich: Solidarität wirkt!
Inzwischen wird darüber diskutiert, wann die Maßnahmen wieder gelockert werden könnten. Wie bewerten Sie die Debatte?
Man muss natürlich darüber nachdenken, wie man die Öffentlichkeit „wiederbelebt“, wenn eine Entspannung der Situation greifbar ist. Derzeit ist es aber noch zu früh, Zeitpunkte zu nennen, an denen alles einfach wieder ganz normal öffnet. Eine Normalität wie vor der Krise wird es so schnell nicht mehr geben. Ich glaube, wir brauchen ein kontrolliertes Hochfahren des gesellschaftlichen Lebens, sobald man die Auswirkungen des Virus beherrschen kann. Das sollte aber wiederum mit Blick auf die Risikogruppen, also Menschen mit Vorerkrankungen und ältere Menschen, geschehen.
Am Mittwoch wollen Bundekanzlerin und Ministerpräsident*innen über mögliche Lockerungen beraten. Worauf kommt es dabei an?
Es wird auf eine Reihe von Faktoren, wie die Zahl der Neuinfektionen und die Zahl der Genesenen und Immunisierten ankommen. Im Mittelpunkt steht weiterhin die Frage, ob unser Gesundheitssystem in der Lage ist, die schweren Krankheitsverläufe in der Intensivmedizin zu behandeln. Die Bundesregierung und die Länder lassen sich dabei wissenschaftlich beraten und stimmen sich untereinander über die Umsetzung ab. Auch wenn die neuesten Entwicklungen der Zahlen über die Ausbreitung des Virus Anlass zu vorsichtiger Hoffnung geben, wie es Kanzlerin Merkel sagt, kommt zunächst nur eine vorsichtige und schrittweise Lockerung in Betracht.
Die bisher vereinbarten Maßnahmen laufen bis zum 19. April. Einige Bundesländer haben sie bereits verlängert. Warum gibt es kein bundeseinheitliches Handeln?
Mittlerweile haben fast alle Länder ihre Maßnahmen bis zum 19. April datiert. Ich finde ein gemeinsames Vorgehen, wie wir es im Kreise der Innenminister und -senatoren handhaben, auch hier wichtig. Allerdings haben die Bundesländer natürlich unterschiedliche Faktoren, die sie beachten müssen. Manche haben Außengrenzen, manche haben Meerzugang, bei manchen wird die Wirtschaft maßgeblich von einzelnen Branchen bestimmt. Diese Bundesländer müssen dann geeignete eigene Maßnahmen ergreifen. Dennoch plädiere ich als Vorsitzender der Innenministerkonferenz gerade in Bezug auf mögliche Lockerungen, für ein weitgehend einheitliches Vorgehen aller Bundesländer.
In Ihrem Bundesland Thüringen haben die Städte Jena und der Kreis Nordhausen das Tragen von Mundschutz in der Öffentlichkeit zur Pflicht gemacht. Wäre das auch für ganz Deutschland sinnvoll?
Wenn wir Maßnahmen, wie das Tragen eines Mundschutzes erlassen, müssen wir uns vorher Gedanken über die Umsetzung machen. Das stellt die Menschen hier vor das konkrete Problem, dass es derzeit nicht genügend Masken am Markt gibt und man deswegen auf selbstgenähte Masken oder Schals zurückgreifen muss. Das schützt andere vor Ansteckung, entbindet aber nicht von der ebenfalls wirkungsvollen Kontaktbeschränkung oder dem regelmäßigen Händewaschen. Ich denke, hier sollte man beim Prinzip der Freiwilligkeit bleiben, gleichzeitig aber die Kontaktbeschränkungen strikt einhalten.
Zurzeit wird über die Möglichkeiten von Handy-App zur Eindämmung des Corona-Virus diskutiert. Sind Sie dafür, so eine App bei jedem automatisch auf dem Handy zu installieren, wie es etwa der Chef der Jungen Union vorschlägt?
Auch hier gilt das Prinzip der Freiwilligkeit. Ich will niemandem vorschreiben, einen Geotracker zu installieren, denn das sehe ich als zu starke Einschränkung der Grundrechte. Die freiwillige Nutzung einer Kontakt-App auf Bluetooth-Basis mit anonymisierten Daten kann ich mir hingegen sehr gut vorstellen. Warum sollten wir das Virus nicht mit einer viralen App bekämpfen. Unsere Demokratie darf dabei aber keinesfalls in Mitleidenschaft gezogen werden.
Georg Maier (SPD) ist Innenminister von Thüringen und seit 1. Januar Vorsitzender der Innenministerkonferenz.Der Gesprächspartner