Europa

Fünf Jahre Juncker: Die EU-Kommission unabhängiger gemacht

Jens Geier23. Oktober 2019
Abschied im Europaparlament: Jean-Claude Juncker hat zumindest eine Kommissionspolitik etabliert, die unabhängiger von den Staats- und Regierungschefs im Rat gearbeitet hat, meint Jens Geier.
Abschied im Europaparlament: Jean-Claude Juncker hat zumindest eine Kommissionspolitik etabliert, die unabhängiger von den Staats- und Regierungschefs im Rat gearbeitet hat, meint Jens Geier.
Fünf Jahre war Jean-Claude Juncker Präsident der EU-Kommission. Vieles, was er bei Amtsantritt versprochen hat, konnte er nicht einhalten. Die eigentlichen Bremser Europas sitzen aber in den Hauptstädten.

Jean-Claude Juncker hat Europa gedient. Fünf Jahre leitete er als bekennender Pro-Europäer die EU-Kommission, die Regeln für Europa vorschlägt. Dafür gebührt ihm, in Zeiten, in denen die EU von außen und innen von Nationalisten bedroht wird, Respekt.

Zugleich muss deutlich werden, was nicht funktioniert hat. Sein Versprechen, der EU ein „soziales Triple A“ zu verschaffen, hat der scheidende Kommissionspräsident nicht gehalten. Die sogenannte Europäische Säule sozialer Rechte blieb ein symbolischer Türöffner. Zu oft haben die Mitgliedstaaten gebremst. Immerhin wurde das soziale Europa durch den Druck der europäischen Sozialdemokratie nach Jahren der Stagnation wieder auf die EU-Agenda gesetzt.

Wir brauchen die Sozialunion

Jetzt gilt es, dies unter der Kommission von Ursula von der Leyen durch handfeste Sozialgesetze umzusetzen. Diese Neuerungen müssen die Europäerinnen und Europäer so positiv spüren wie den Wegfall der Roaming-Gebühren – allerdings auf dem Gehaltszettel oder bei den Arbeitsbedingungen. Wichtig ist, die Menschen auch in Krisen vor Dumping-Wettbewerb und Arbeitslosigkeit zu schützen. Zusätzlich zur Wirtschafts- und Währungsunion müssen wir eine Sozialunion schaffen.

Fortschritte gab es in der vergangenen Mandatszeit durchaus. Auf Drängen der Sozialdemokratie hat Jean-Claude Juncker einige sinnvolle EU-Projekte angeschoben: etwa den Europäischen Investitionsfonds oder die Überarbeitung der Entsenderichtlinie. Dadurch kann in faire Arbeit und nachhaltige Projekte investiert werden – und entsandte Beschäftigte, die in Deutschland zum Beispiel auf Baustellen und in Schlachthöfen arbeiten, werden besser vor Ausbeutung geschützt.

Wichtig in der vergangenen Legislaturperiode war auch die ehrgeizige Begrenzung des CO2-Ausstoßes von Autos in der EU. Bei solchen Gesetzgebungen muss die kommende EU-Kommission nachlegen, um die sozialökologische Wende zu schaffen.

Verschleppungstaktik der Staats- und Regierungschefs

Bei aller Kritik an der konservativ dominierten EU-Kommission: Dort – sowie auch im Parlament – sitzen nicht die Hauptverantwortlichen für eine dysfunktionale EU. Was die EU als Ganzes derzeit am meisten gefährdet, ist der mangelnde Wille der Mitgliedstaaten, sich zu einigen. Die Staats- und Regierungschefs verschleppen seit langem Entscheidungen über eine Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion oder die weitere Demokratisierung der EU. Auch gibt es einen sinnvollen Plan für die EU-Asylpolitik, den das Europäische Parlament mit Mehrheit beschlossen hat, die Staats- und Regierungschefs aber blockieren.

Jean-Claude Juncker hat zumindest eine Kommissionspolitik etabliert, die unabhängiger von den Staats- und Regierungschefs im Rat gearbeitet hat. Sein Vorgänger José Barroso hat regelmäßig in den europäischen Hauptstädten angerufen, um zu fragen, ob er sich zum Frühstück Tee oder Kaffee kochen soll. Im Falle Junckers hat geholfen, dass er nach dem demokratischen Spitzenkandidaten-Prinzip gewählt war, für das wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten uns weiter starkmachen werden.

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Kommentare

Glaubwürdigkeit ?

Bevor hier, tlw. auch tlw. zurecht über die Bremser des "vereinten" Europas lamentiert wird, die tlw. entweder die nationale Abschottung oder die nationale Bereicherung oder beides anstreben, sollten wir die Glaubwürdigkeit der EU ihrer Kommission und ihres bisherigen Anführers beleuchten. Grundlage für dieses Ansinnen könnte ein Hinweis sein wie wir ihn auch in Wikipedia nochmals nachlesen können. Im Anschluss an die dortigen Ausführungen sind auch etliche Quellenangaben benannt bzw. verlinkt! So könnte es im Rückblick geesehen durchaus sein, dass Griechenlands "Quäler" Juncker zuerst Tür und Tor für reiche Steuerhinterzieher und Steuervermeider (a.Großkonzerne) öffnete und dann (s. Griechenland) Druck auf Regierungen ausübte, damit dort die Ärmsten ausgepresst werden !
Wenn sich die Bürger mangels Glaubwürdigkeit der EU dann wieder auf das Nationale besinnen oder gar die Demokratie in Frage stellen, so haben, trotz aller sonstigen Verdienste, einuncker und seine Unterstützer einen gehörigen Anteil an diesen gesellschaftlichen Fehlentwicklungen ! Und sein Freund Genosse Martin Schulz verhinderte den Lux-Leaks Unters.ausschuss !
https://de.wikipedia.org/wiki/Jean-Claude_Juncker

Laudatio auf einen Antidemokraten

Die Demokratiedefizite der EU sind auch ein "Verdienst" des hier zu Unrecht gelobten Hern Juncker, seine Grundhaltung belegenden Zitate sind mittlerweile Allgemeingut und Sinnbild für alle undemokratischen Aspekte des angeblichen "Friedensprojekts" "EU" geworden.
"Wenn es Ernst wird muss man lügen."
"Wir beschließen Etwas....."(DER SPIEGEL, S. 136, 52/1999)
"Wenn es ein "ja" gibt fahren wir fort, wenn es ein "Nein" gibt machen wir weiter."(Lissabon-Vertrag)
"Natürlich wird Souveränität abgegeben, aber es wäre doch dumm, darauf aufmerksam zu machen."

Auch sein Kampf gegen Steuerfahnder und andere in seinen Kreisen unbeliebten Fährnisse des Lobbyistenlebenswie zum Beispiel Transparenz- und Antikorruptionsinitiativen sind allseits bekannt.

"I am for secret, dark debates" (Zur Euro-Gruppe.)
" Il ne peut y avoir de choix démocratique contre les traités européens..."
Es darf keine demokratische Wahl gegen EU Verträge geben...

Wer solche Gestalten lobt mag in den entsprechenden Kreisen wohlgelitten sein, aber ob derartige Texte dann auch beim vielzitierten "Normalbürger" positiv aufgenommen werden steht auf einem ganz anderen Blatt.

Frei nach Bismarck

„Nirgends wird so viel gelogen wie bei Beerdigungen und Verabschiedungen.“

Die guten Geister

haben den Author dieser Zeilen wahrscheinlich verlassen.
Wie kann es sein den Oberneoliberalen Steuerhinterzieherbegünstiger sooo zu loben ?