Pro und Contra Vorratsdatenspeicherung

„Datenschutz steht nicht über allen anderen Grundrechten“

Rainer Wendt02. April 2015
Die Große Koalition will ein neues Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung vorlegen. Darüber gibt es eine lebhafte Debatte – auch innerhalb der SPD. Rainer Wendt, der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), argumentiert für die Vorratsdatenspeicherung:

Vielleicht wäre der NSU-Untersuchungsausschuss zu noch besseren Ergebnissen gekommen, hätte er nachvollziehen können, mit wem Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos in den Monaten vor ihrer Entdeckung fernmündlich Kontakt hatten. Da hatten es die französischen Behörden nach den Attentaten von Paris schon besser, mit Hilfe des Einblicks in die Kommunikationsvergangenheit der toten Terroristen konnten Hintermänner aufgespürt und festgesetzt werden.

Auch in hunderten von Ermittlungsverfahren, in denen Kinder Opfer waren, die sexuell missbraucht worden waren, musste die Polizei Fehlanzeige bei der Täterermittlung melden, wegen fehlender Speicherung der Verkehrsdaten gingen diese ins Leere. „Nah an der Strafvereitelung“, nannte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) diesen Zustand zutreffend.

Massenhafte Täuschung der Öffentlichkeit

Den Kritikern der Vorratsdatenspeicherung ist die Diskreditierung dieses Ermittlungsinstruments vollumfänglich gelungen. Viele Menschen glauben tatsächlich, die Polizei betreibe eine „Totalüberwachung der Bevölkerung“, erstelle „Bewegungsbilder“ und höre Telefone unbescholtener Bürger ab. Das ist zwar alles totaler Unfug, aber die Art der öffentlichen Debatte suggeriert den Menschen genau dieses Bild, eine massenhafte Täuschung der Öffentlichkeit, ohne Rücksicht auf die Opfer.

Die Einführung von Mindestspeicherfristen für Telekommunikationsdaten ist kein Selbstzweck. Tataufklärung, die Erhellung von Netzwerken und die Entdeckung von Mittätern dienen der Verhinderung weiterer Delikte. Dabei ist die Abwägung von Rechtsgütern auch beim Zugriff auf diese Daten immer wieder notwendig. Die Grundrechte des Datenschutzes, die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entworfen wurden, stehen nicht allein und über allen anderen Grundrechten. Wenn es darum geht, elementare Grundrechte, wie Freiheit, Leben, körperliche Unversehrtheit oder sexuelle Selbstbestimmung zu schützen, lässt auch das BVerfG Eingriffe in den Datenschutz ausdrücklich zu.

Fakten statt Ideologie

Wenn Politik nicht von nüchternen Fakten bestimmt, sondern ideologisch gesteuert ist, haben es die Praktiker der Macht schwer.  Neben den rechtstheoretischen und politischen Erwägungen müssen sie gegen Fehlinformation und Dogmatik argumentieren, wenn sie ein verfassungskonformes Gesetz erfolgreich durch die parlamentarischen Abstimmungen führen wollen. Und natürlich muss ein neues Gesetz, das sich die Große Koalition vorgenommen hat, auch in Karlsruhe bestehen, denn die bekannten Kläger werden auf jeden Fall gegen das Gesetz klagen. Interessanterweise kündigen sie das auch schon an, bevor sie wissen, was drin steht. 

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Kommentare

Starke Worte

Diskreditierung, Strafvereitelung, Täuschung ... starke Worte, mit denen die Gegner der VDS von Herrn Wendt hier reichlich bedacht werden.
Argumente für die VDS: die Aufklärung von Straftaten. Punkt.

Es geht in dieser Diskussion nicht darum, ob die lt. BVerfG vom GG garantierte Informelle Selbstbestimmung (übrigens ist das was anderes als Datenschutz) oder das Aufklärungsinteresse an Straftaten jeweils der alleinige Maßstab ist, an dem staatliches und damit polizeiliches Handeln zu messen ist.

Es geht um einen Ausgleich zwischen beiden Interessen und den damit beteiligten Grundrechten, wie es bei allen anderen grundrechtlichen Konflikten auch der Fall ist.

Für einen Eingriff in ein Grundrecht wie die informelle Selbstbestimmung muss das das Grundrecht verletzende Mittel zunächst einmal für den angestrebten Zweck geeignet sein. Hierfür fehlt im Fall der VDS bereits der Beweis.

Auch bei der Erforderlichkeit, also ob das Mittel der mildeste, d.h. der am wenigsten in das Grundrecht eingreifende Weg zur Erreichung des Ziel ist, ist vieles fraglich.

Letztlich ist die Verhältnismäßigkeit höchst kritisch: Was wird erreicht im Verhältnis zur Stärke des Eingriffs ?
Es steht außer Zweifel, dass eine vollständige Aufzeichnung aller Verbindungsdaten jeglicher elektronischer Kommunikation mit individualisierten Kennzeichen wie Telefonnummer, Email- oder IP-Adresse so ein starker Eingriff ist. Damit erhält man auf Wunsch von jedem Bürger - wie schon z.B. von Malte Spitz bewiesen - ein Bewegungsprofil. Diese Tatsachen mit "Totaler Unfug" abzutun, ist nichts anderes als Verharmlosung und der Versuch, die Bürger für dumm zu verkaufen.

Es ist nicht erkennbar, warum die Befürworter der VDS sich so selten in Situation sehen, Argumente dafür anzuführen, außer nebulöser „Verbesserung der Strafverfolgung“. Stattdessen werden Gegner der Fehlinformation bezichtigt und die tatsächlichen Ausmaße der VDS vernebelt. Und dann bedient man sich dann halt auch mal bei strafrechtlichem Vokabular gegenüber den Gegnern.

Solange hier keine vernünftige Diskussion geführt wird, ist das Instrument VDS in Gänze abzulehnen.