NSA-Abhörskandal

Danke, Herr Snowden!

Markus Beckedahl19. November 2013

Die Lehre aus den Enthüllungen Edward Snowdens sollte nicht mehr, sondern weniger Überwachung sein.

Diesen Sommer bestätigte sich, was in netzpolitischen Kreisen bereits seit langem diskutiert und vermutet wurde: Wir werden alle überwacht. Die Frage ist nicht mehr ob, sondern lediglich wie oft, durch wen und wo und ob das für immer gespeichert wird. Aber keine Panik, das würde alles nicht stimmen, man habe das schriftlich von der NSA bekommen, erklärte die Bundesregierung – bis herauskam, dass auch Angela Merkels Handy ausspioniert wurde. Plötzlich hieß es, das ginge gar nicht und eine Grenze sei überschritten.

Es hört immer jemand mit

Warum ist eine Grenze erst überschritten, wenn das Partei-Handy unserer Kanzlerin belauscht wird, während es kein Problem darstellt, wenn wir alle in unserer Online-Kommunikation anlasslos überwacht, gerastert und gespeichert werden? Angela Merkel ist dabei eine von uns – ein Überwachungsopfer, das in seiner Freiheit eingeschränkt wird, und immer daran denken muss, dass in der Kommunikation jemand mithören könnte. Wollen wir uns damit abfinden, dass wir online kaum noch Räume haben, in der unsere grundgesetzlich verankerte Privatsphäre respektiert und geschützt wird?

Immerhin kommen täglich neue Enthüllungen ans Licht, das Ausmaß wird immer größer. Innenminister Hans-Peter Friedrich fordert eine Vorratsdatenspeicherung, um genau die Metadaten anzusammeln, auf die die NSA ganz scharf ist. Friedrich möchte eine flächendeckende Netzüberwachung nach Vorbild der NSA, die Lehren aus den Enthüllungen haben wir uns alle anders vorgestellt. Diese waren als Warnung gedacht, nicht als Machbarkeitsanalyse zum Grundrechteabbau. 

Ebenso leere Versprechungen sind bisher die Beteuerungen der amtierenden Bundesregierungen, sich auf EU-Ebene für stärkeren Datenschutz einsetzen zu wollen. Ein Blick hinter die Kulissen und in die Verhandlungsprotokolle offenbart das genaue Gegenteil: Einer der stärksten Gegner von mehr Datenschutz ist ausgerechnet unser federführendes Bundesinnenministerium. Das ist doch alles absurd.

Neue Förderstrukturen für Open-Source-Communities

Die richtige Reaktion auf die Snowden-Enthüllungen darf nicht sein, die Überwachung auszubauen. Dann können wir auch gleich unsere demokratischen Werte wegschmeißen, weil wir unsere Freiheit aufgeben. Die richtige Reaktion muss sein, jetzt konkrete Schritte einzuleiten, um den Ausbau des Netzes zu einer globalen Überwachungsinfrastruktur zurückzudrehen. Wir brauchen jetzt eine bessere Kontrolle der Geheimdienste, einen Stopp aller anlasslosen Überwachung unserer digitalen Kommunikation und einen EU-weiten Datenschutz, der seinen Namen auch verdient. Alle Datenaustauschverträge mit den USA müssen sofort gestoppt werden, weil der versprochene Datenschutz offensichtlich eine Lüge war. 

Eine große Chance für die Europäische Union bietet eine Förderung von freien, offenen und datenschutzfreundlichen Infrastrukturen, um in unserer Kommunikation unabhängiger von den großen Beinahe-Monopolisten zu werden. Dafür braucht es neue Förderstrukturen, um Open-Source-Communities zu unterstützen, die diese Infrastrukturen entwickeln. Noch immer ist es einfacher, als Unternehmen EU-Förderung in Millionenhöhe zu bekommen als einige tausend Euro für ein Open-Source-Projekt.

Wir müssen jetzt handeln, bevor es zu spät ist. Danke Edward Snowden, für den Tritt in den Hintern.