Fußball

Corona-Krise: Warum Geisterspiele in der Bundesliga der falsche Weg sind

Kaweh Mansoori30. April 2020
Geisterspiele wie hier in der Euroopa League zwischen Eintracht Frankfurt und dem FC Basel lehnt der südhessische SPD-Bezirksvorsitzende Kaweh Mansoori für die Bundesliga ab.
Geisterspiele wie hier in der Euroopa League zwischen Eintracht Frankfurt und dem FC Basel lehnt der südhessische SPD-Bezirksvorsitzende Kaweh Mansoori für die Bundesliga ab.
Kaweh Mansoori ist leidenschaftlicher Fußballfan. Er sehnt sich nach einem Spieltag mit Bier, Bratwurst und Gänsehautatmosphäre. Geisterspiele in der Bundesliga hält der südhessische SPD-Bezirksvorsitzende in der Corona-Krise für den falschen Weg.

Ich freue mich riesig darauf, irgendwann wieder im Stadion zu stehen. Fußball ist mein Sport. Am besten live im Stadion, den Schal eng umgebunden, bei Bratwurst und Bier. Auf Flutlicht und Champions-League-Hymne fiebere ich manchmal Wochen hin. Gänsehaut pur! Dafür nehme ich auch weite Wege auf mich. Und dann fällt der Treffer des Abends. Zehntausende springen gleichzeitig auf, das ganze Stadion im Ausnahmezustand. Die Fahrt hat sich gelohnt. Das ist Fußball, wie ich ihn mag.

Ich sehe den Plan der DFL kritisch

Darauf verzichte ich aktuell, mindestens für die ganze Saison. Bis zu 80.000 Fans gleichzeitig im Stadion in der 1. Bundesliga sind aktuell undenkbar. Selbst 200 Fans in der Kreisoberliga sind derzeit nicht erlaubt. Zu gefährlich für die Spieler und zu gefährlich für die Zuschauer*innen. Die Corona-Pandemie hat auch hier alles verändert. Nicht nur der Fußball, alle Sportarten halten die Luft an.

Der kommerzielle Spitzensport kommt dadurch in existenzielle Nöte. Viele Traditionsvereine geraten in finanzielle Schieflage, die ihre Existenz bedroht. Das ist besorgniserregend und doch sehe ich die Lösung, die die Deutsche Fußball-Liga (DFL) vorschlägt, kritisch. Ihr Plan ist es, den Spielbetrieb in den ersten beiden Profi-Ligen zeitnah wiederaufzunehmen. Als Geisterspiele ohne Fans. Die Einnahmen aus Übertragungen von Pay-TV-Sendern würden dann wieder fließen. Die Not nach diesen Millionen offenbart einmal mehr die fehlende Nachhaltigkeit des Geschäfts- und Finanzierungsmodell im Spitzenfußball. Fangruppen weisen darauf seit Jahren hin. Wir müssen uns deshalb bewusst machen: Es geht hier weniger um die Fans als um die wirtschaftlichen Interessen von Sportunternehmen.

Soll der Fußball systemrelevanten Berufen vorgezogen werden?

Und wir müssen uns auch bewusst machen, welche Berufe systemrelevant sind. Mir fallen da Menschen in der Pflege oder in Krankenhäusern ein, Menschen an den Steuern der LKW, die Nahrungsmittel transportieren oder die Menschen, die seit dem ersten Tag der Epidemie an der Supermarktkasse sitzen. Ich denke nicht an Fußball spielende Millionäre. Die DFL will 25.000 Corona-Tests für den Profi-Fußball reservieren, während in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheime nach wie vor nicht alle Angestellten und Patient*innen getestet sind. Soll der Profi-Fußball hier tatsächlich anderen Berufsgruppen, systemrelevanten Berufsgruppen vorgezogen werden?

Nun könnte man argumentieren, dass Geisterspiele mit all ihren Nachteilen trotzdem ihren Teil dazu beitragen würden die Fans zu begeistern und für Freude und Ablenkung in diesem für uns alle veränderten Alltag sorgen würden. Aber auch hier würde die direkte Konsequenz sein, dass Abstands- und Hygieneregeln gebrochen werden. Denn es ist kaum vorstellbar, dass Bundesliga läuft und jeder Fan ein teures Pay-TV-Abo abschließt und allein im eigenen Wohnzimmer bleibt.

Andere Lösungen für klamme Traditionsclubs

Und dann stellt sich noch die Frage der Berechtigung einer Sonderregelung für die Bundesliga, während andere Sportarten und Wirtschaftsbereiche noch warten, dass es losgeht. Wie sollen wir Kulturschaffenden oder Restaurantbetreiber*innen Extra-Regeln für einen sehr privilegierten Teil einer Sportart vermitteln? Abstands- und Hygieneregeln, die für Millionen gelten, würden live im Fernsehen gebrochen. Wenn die Spiele am Ende nur in Wohnzimmern mit Pay-TV-Abo gezeigt werden, ist die Idee der DFL noch viel unverständlicher und ungerechter. Die Proficlubs kämpfen derzeit mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Das ist mir bewusst. Allerdings stehen sie mit diesem Problem nicht alleine da. Andere Profisportarten oder europäische Fußballligen haben ihre Saison bereits aufgrund der aktuellen Situation beendet. Für klamme Traditionsclubs in Deutschland muss es andere Lösungen geben.

Derzeit müssen wir alle massive Einschränkungen unserer Grundrechte hinnehmen. Das ist notwendig, um die Allgemeinheit vor einem hochinfektiösen Virus zu schützen und unsere Krankenhäuser nicht zu überfordern. Wir haben in den letzten Wochen mit dem Gemeinwohl und mit Solidarität argumentiert. Den Fußballbetrieb in den Profiligen wiederaufzunehmen, bevor auch nur ein Kind auf einem Spielplatz toben darf, halte ich für ein schlechtes Zeichen. Und es wäre auch ein Dammbruch in der Argumentationsführung. Wenn der Fußball seine eigenen Regeln bekommt, werden auch andere auf Partikularinteressen pochen.

So gerne ich schon bald wieder ein Fußballspiel anschauen würde: Der Profifußball ist nicht systemrelevant. Es sollte erst gespielt werden, wenn wir die Gefahren der weiteren Ausbreitung beherrschen können.

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Kommentare

Geisterspiele reden die Vereine (Firmen)

Heute arbeiten schon viele Menschen in nicht systemrelevanten Berufen. Vereine sind große Firmen und wir können uns nicht noch mehr Rettungsschirme leisten. Wer soll dies alles bezahlen. In den Vereinen arbeiten viele Menschen und es wird sehr viel für die Jugend getan. Wir sollten uns über jeden noch so kleinen Schritt zur Normalität freuen.
Wir müssen langsam aus der Lähmung durch die Medien mit den schrecklichen Bildern (oft an mehreren Tagen die selben Bilder) aus der USA und Italien heraus kommen.
Wir haben die Kapazitäten in allen Bereichen erhöht. Kita und Schulen sollten schnellsten wieder öffnen. Viele Familien sind nervlich am Ende bzw. kommen an Ihre Grenzen.
Natürlich müssen wir die älteren Menschen schützen und diese sich selber.
Wenn die Enkelkinder nicht in die Kita oder Schule können, müssen sie oft zu den Älteren, die wir doch schützen wollen.
Anmerkung: Im Grippe Jahr 2017/2018 sind in Deutschland über 19.000 Menschen gestorben und es wurde fast nichts darüber berichtet.

Absurdes Schauspiel ! Zeichen in die falsche Richtung !

Die Alarmzeichen der Zeit könnten kaum deutlicher aufleuchten.
Schade wie mut- und phantasielos die Haupatkteure des DFB und der Bundesligavereine in der coronabedingten Zwangspause agieren.
Dass es mal wieder nur um´s Geld geht und mit viel Geld und "Vitamin B" sogar die anderswo (noch immer ungetestes Pflegepersonal !) viel dringender benötigte Tests für absurde zuschauerlose "Trauerspiele" rangeschafft wird, ist kaum zu übersehen !
Warum nutzen DFB und Vereinsbosse die von der Natur verordnete Denkpause nicht um ihren überzüchteten Laden neu, abseits von purer Geldmacht, neu zu ordnen, den Sport samt Breitensport weider in den Vordergrund zu rücken und falls erforderlich sich vom Werbe- und Konsum und Maximalprofit getriebenen internationalen kranken Überbietungswettbewerb abzukoppeln! "Back to the roots"! Corona- und Klimafolgen mahnen uns die gesellschaftlichen Spielregeln Richtung Genügsamkeit zu ändern ! Politik könnte hier im Zusammenspiel mit den Verbänden längst Schranken setzen !

Fußball

Alle anderen Sportverbände haben ihre Veranstaltungen abgesagt, nur die Fußballindustrie braucht eine Extrawurst.
Sollte Profifußball, dieses Opium gar systemrelevant sein ?

Billiger Anbiederungsversuch

Der Fußball ist ein normaler Wirtschaftszweig, der wie alle anderen versucht, aus der Krise zu kommen. Letztlich wären auch Frisöre nicht "systemrelevant", aber sie öffnen auch wieder. Außerdem wird es der Stimmung im Land gut tun. Selbst am Ende des Krieges, 1944/45, fanden noch Spiele statt.

Wenn Politiker jetzt die Fankultur preisen, ist das arg durchschaubar, und man macht sich eher lächerlich. Es gibt auch eine andere Seite der Spiele, die dann gerne übersehen wird. Viele Anwohner in der Nähe von Stadien werden froh sein, ihre Ruhe zu haben. Bahngäste, die sonst in die Horden hineingeraten, werden auch nicht unglücklich sein. In der Gastronomie sind Fußball-Fans verschrien, weil sie wenig Umsatz bringen, dafür extrem anstrengend sind.

Da die DFL sich selbst um die Test kümmert, und auch gar kein Engpass besteht, ist das Argument komplett wertlos. Insgesamt täte die Politik mal gut daran, generell über ihre Haltung zum Fußball zu reflektieren, der gesellschaftlich Nutzen und Schaden bringt. Aber stattdessen wird nur Gedankenfaul einer (vermeintlichen) Stadionkultur nach dem Mund geredet.

Tests für reiche Fussballclubs aber nicht für Hochgefährdete!?

Falls unsere Regierung unter SPD-Beteiligung es zulässt, dass derartige Geisterspiele samt der dafür exclusiven Coronatests stattfinden, während das Pflegepersonal und die Insassen von Pflegeheimen mangels auch nur annähernd ausreichender Testung und mangels adäquater Schutzausrüstung mitunter in höchsten Maße gefährdet sind, wäre das ein enormer weiterer Glaubwürdigkeitsverlust für unsere, nach Meinung vieler Noch- und Ex-SPD Wählern viel zu wirtschaftslobbynahen SPD, die angesichts mehr als bescheidener Umfragewerte um jedes Prozentchen kämpfen muss !
Mindestens genauso schlimm als der Niedergang unserer Partei ist der neoliberal organisierte Niedergang unserer Werte, die das Befinden von reichen Fußballvereinen vor das Lebens- u. Gesundheitsrecht insbesondere unserer coronabedingt hochgefährdeten Mitmenschen stellt.
https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/wuppertal-tochter-draengte-...

Oh Oh - Insassen von

Oh Oh - Insassen von Pflegeheimen ....... Ich stimme Ihren Ausführungen durchaus zu, aber die Senioren im Pflegeheim als Insassen zu bezeichnen - ich weiß nicht. Auf der anderen Seite, wurde den Bewohnern von Pflegeheimen ungefragt die Freiheitsrechte am deutlichsten beschnitten.