
Die Videokonferenz dauerte nur eine halbe Stunde. Nach einer 16-stündigen Verhandlung am Mittwoch und mehrstündigen Vorgesprächen zwischen einzelnen Ressortchefs am Donnerstag haben sich die EU-Finanzminister in der Nacht zu Freitag auf ein umfangreiches Corona-Hilfspaket mit einem Umfang von rund 500 Milliarden Euro geeinigt. „Es geht um die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger, es geht um die Sicherheit von Arbeitsplätzen und es geht darum, dass viele Unternehmen in dieser Krise bestehen bleiben“, betonte der deutsche Finanzminister Olaf Scholz nach der Videokonferenz mit seinen Kolleg*innen.
Hilfen für Staaten, Unternehmen und Arbeitnehmer*innen
Konfliktpunkt blieb bis zuletzt die Vergemeinschaftung von Schulden. Vor allem Italien hatte auf die Ausgabe sogenannter Eurobonds gedrungen, mehrere Länder, u.a. Deutschland, lehnten das bis zuletzt ab. Die Niederlande wollten die Bewilligung von Krediten aus dem Euro-Rettungsschirm ESM zudem mit harten Sparbedingungen verbinden.
Der Beschluss der Finanzminister umfasst drei Elemente:
- Um die Zahlungsfähigkeit der vom Corona-Virus am stärksten betroffenen Länder wie Italien oder Spanien sicherzustellen, werden aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) kurzfristig 240 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Einzige Bedingung für die Vergabe der Gelder ist, dass sie zur Bekämpfung der Corona-Folgen eingesetzt werden müssen.
- Mit einem Garantiefonds über 200 Milliarden Euro soll kleinen und mittleren Unternehmen über die Krise geholfen werden. Das Geld wird in Form von Krediten von der Europäischen Investitionsbank (EIB) vergeben.
- Ähnlich wie bei der deutschen Kurzarbeiterregelung soll es ein 100 Milliarden Euro starkes europäisches Kurzarbeiterprogramm „Sure“ geben. Die EU-Staaten können damit Beschäftigten helfen, die wegen der Corona-Krise weniger oder gar nicht arbeiten können, damit diese nicht arbeitslos werden und Unternehmen nach der Krise ihre Produktion möglichst zügig wieder aufnehmen können.
Nicht enthalten in dem Hilfsprogramm sind sogenannte Euro- oder Coronabonds, wie sie vor allem Italien gefordert hatte. Diese könnten allerdings nach dem Ende der Krise wieder auf die Tagesordnung kommen. Dann nämlich wird es ein Fonds geben, mit dem die Wirtschaft innerhalb der Europäischen Union wiederbelebt werden soll. Wie dieser genau ausgestaltet sein wird, steht noch nicht fest.
Wie sich die SPD ein Wiederaufbauprogramm vorstellt
„Der endgültige Schwur muss mit dem Wiederaufbauprogramm kommen“, sagt deshalb der Vorsitzende des Handelsausschusses des Europaparlaments Bernd Lange. Wie so ein Wiederaufbauprogramm aussehen könnte, schrieben die SPD-Europaabgeordneten am Freitag auf Twitter: „Wir müssen die Folgen der Krise langfristig eindämmen – vor allem mit einem Wiederaufbauprogramm, bei dem Jobs, Gesundheit und Nachhaltigkeit im Sinne des Europäischen Green Deals zentral sein müssen.“ Neben einer „Arbeitslosen-Rückversicherung“ zählen sie auch eine „synchronisierte Steuer- und Fiskalpolitik“ dazu sowie „gemeinsam verantwortete Finanzprodukte wie Eurobonds“.
Bei aller Freude über die Einigung der EU-Finanzminister sieht deshalb auch SPD-Chef Norbert Walter-Borjans noch eine Menge Arbeit vor der Staatengemeinschaft liegen. „Verhandlungen über eine für alle Seiten dauerhaft faire und stabilisierende Finanzarchitektur müssen folgen“, forderte Walter-Borjans am Freitag auf Twitter. „Die werden gewiss nicht einfacher, am Ende aber hoffentlich vom selben Einigungswillen getragen wie gestern.“