Am Mittwoch hat das Bundeskabinett den Weg zur Unterzeichnung des umstrittenen Freihandelsabkommens der EU mit Kanada (CETA) frei gemacht. Ein Tag zuvor musste der EU-Handelsministerrat seine Entscheidung jedoch vertagen, weil nicht alle EU-Länder dem Vertrag zustimmen wollten.
Rechte von Arbeitnehmern schützen
Noch immer gibt es Bedenken und Kritik an CETA. Am Donnerstag forderte der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Metall, Jörg Hofmann, weitere Nachbesserungen. Er erwarte Verbesserungen im Investorenschutz, bei der Zulässigkeit von Tariftreueregelungen und vor allem bei der Durchsetzung von Arbeitnehmerrechten, erklärte der IG Metall-Chef.
Mit seinen Bedenken stützt sich Hofmann auf ein Rechtsgutachten, das er gemeinsam mit der ehemaligen Justizministerin Herta Däubler-Gmelin und dem Arbeitsrechtler Wolfgang Däubler in Berlin vorstellte. CETA bringe spezifische Risiken für Arbeitnehmerrechte mit sich, betonte Däubler.
Das erste Risiko liege im Investorenschutz. So könnten Schadensersatzleistungen auf den Staat zukommen, wenn ein Parlament Gesetze beschließe, die den Gewinnerwartungen eines Unternehmens widersprechen. Dieses Risiko bestehe laut Däubler auch dann, wenn ein Parlament Änderungen im Arbeitsrecht beschließt, zum Beispiel den Mindestlohn erhöht oder die Mitbestimmung erweitert. Für den Arbeitsrechtler ist das nicht akzeptabel.
Soziale Kriterien ohne Bedeutung
Das zweite Risiko sieht Däubler in den Bestimmungen zum Vergaberecht, in denen künftig soziale Kriterien keine Rolle mehr spielen, da nur noch das preiswerteste Angebot zähle. Damit würde es beinahe unmöglich, staatliche Aufträge an Firmen zu vergeben, die Tariflöhne zahlen oder mehr Langzeitarbeitlose oder Schwerbehinderte einstellen. „Auch dieses Risiko kann nicht hingenommen werden“, kritisiert Däubler.
Ein drittes Risiko liege im so genannten Gemischten Ausschuss, der bei CETA aus Vertretern Kanadas und der EU bestehe und das Recht habe, zu allen Fragen, die mit Handel und Investitionen zu tun haben, verbindliche Entscheidungen zu treffen. Sie können auch Arbeitnehmer betreffen. Hat der Ausschuss entschieden, kann ein Vertragspartner, zum Beispiel die EU, sie nicht mehr rückgängig machen.
Was noch zu tun ist
Die Gefahren könnten verhindert werden. Allerdings nicht mit Sozialklauseln, wie sie in vielen Abkommen dieser Art üblich seien, weil es denen in der Regel an wirksamen Durchsetzungsmechanismen fehle, erklärten die Gutachter. Verpflichtungen und Bekenntnisse blieben meist „folgenlose Papiertiger“. Allerdings könnte man im Vertragstext selbst klarstellen, dass „arbeits- und sozialrechtliche Regelungen nicht Gegenstand von Investorenklagen sein können", forderte Däubler-Gmelin. Deshalb empfiehlt das Gutachten, dass sozialpolitische Bewertungskriterien aufzunehmen sind und Arbeitnehmerrechte nicht von einem Gemischten Ausschuss verändert werden dürfen.
Auch wenn CETA so gut wie ausverhandelt sei, hält IG Metall-Chef Hofmann Verbesserungen weiterhin für möglich. Zudem unterstreiche die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Oktober die Forderungen nach mehr rechtsverbindlichen Klarstellungen.
Öffentlicher Druck weiterhin notwendig
Ebenfalls wichtig sei weiterhin der öffentliche Druck, sagte Hofmann, der zudem auf das parlamentarische Verfahren im Europäischen Parlament, im Deutschen Bundestag und den anderen europäischen Parlamenten hofft. Hofmann: „Die Parlamentarier sollten das Selbstbewusstsein haben, Verbesserungen einzufordern.“
Das CETA-Abkommen biete die Chance, einen Standard für freien und fairen Welthandel zu setzen, ist Hofmann überzeugt. Die kanadische Regierung zeige eine große Offenheit für gewerkschaftliche Anliegen und insbesondere für Arbeitnehmerrechte. So habe Kanada bald alle acht Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO ratifiziert und sei damit „seinem großen Nachbarn im Süden um Lichtjahre voraus“.