Alterssicherung

Eine Bedürftigkeitsprüfung bei der Grundrente wäre respektlos

Verena Bentele04. April 2019
Wo bleibt der Respekt vor der Lebensleistung von Menschen? VdK-Präsidentin Verena Bentele spricht sich gegen eine Bedürftigkeitsprüfung bei der Grundrente aus.
Wo bleibt der Respekt vor der Lebensleistung von Menschen? VdK-Präsidentin Verena Bentele spricht sich gegen eine Bedürftigkeitsprüfung bei der Grundrente aus.
Die Grundrente von Sozialminister Hubertus Heil ist ein Zeichen von Respekt vor der Lebensleistung von Menschen und soll vor Altersarmut schützen. Mit einer Bedürftigkeitsprüfung wie sie CDU und CSU fordern würden Millionen Rentner zu Fürsorgeempfängern degradiert, meint VdK-Präsidentin Verena Bentele.

Vier von fünf Deutschen haben Angst um ihre finanzielle Situation im Alter. Mehr als drei Viertel der 1.000 für eine Studie Befragten sehen in der Rente ihre größte Hauptsorge. Das sind Ergebnisse aus einer kürzlich veröffentlichten Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) über die  größten wirtschaftlichen und sozialen Ängste in Deutschland.

Die Rentenreform von 2001 ist gescheitert

Die Zahlen stehen nicht für gefühlte Ängste, sondern für Emotionen, die auf Erfahrungswerten und realistischen Einschätzungen der eigenen Situation als Rentnerin oder Rentner basieren. Zur Erinnerung: Deutschland gab 2001 mit seiner damaligen Rentenreform das Ziel der Lebensstandardsicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung auf und senkte das Leistungsniveau der Rente langfristig ab. Lücken sollten private Altersvorsorge-Produkte wie die „Riester-Rente“ schließen. Dass diese Reform mehr geschadet als genutzt hat, zeigt sich seit vielen Jahren: brachliegende Riester-Verträge, zunehmende Altersarmut und endlose Debatten darüber, wie Rentner besser gestellt werden könnten. Wir sprechen dabei über Menschen, die Jahrzehnte gearbeitet haben, im Alter aber trotzdem nur eine Rente unter Grundsicherungsniveau bekommen.

Für diese Menschen hat Bundessozialminister Hubertus Heil das Konzept der Grundrente entwickelt, die zwei Ideen miteinander verbindet: Sie ist ein Zeichen von Respekt vor der Lebensleistung von Menschen und sie soll vor Altersarmut schützen. Die Grundrente ist ein Fortschritt gegenüber dem Ist-Zustand, denn bisher galt: Wer jahrzehntelang, wenn auch wenig, in die Rentenkasse eingezahlt hat, bekommt – wenn er oder sie auf diese Leistung angewiesen ist – denselben Grundsicherungssatz wie jemand, der nie einbezahlt hat.

Der VdK lehnt eine Bedürftigkeitsprüfung klar ab

Zugang zu einer Grundrente von rund 900 Euro sollen diejenigen erhalten, die 35 Beitragsjahre in die gesetzliche Rentenkasse eingezahlt haben – Zeiten der Kindererziehung und der Pflege zählen dazu. Unerheblich soll sein, ob in Teil- oder Vollzeit gearbeitet wurde. Das Bundessozialministerium gibt an, dass vier Millionen Berechtigte, davon drei Viertel Frauen, von der Grundrente profitieren könnten.

Strittig ist derzeit aber vor allem, ob die Grundrente nur diejenigen bekommen sollen, die ihre Bedürftigkeit nachweisen. Der Sozialverband VdK lehnt eine Bedürftigkeitsprüfung klar ab, denn es ist das zentrale Element des Grundrenten-Konzepts, dass vielen Geringverdienern im Alter der Gang zum Sozialamt nach einem Leben voller Arbeit erspart werden soll. Damit wird übrigens auch den Menschen geholfen, die sich bisher in einer sogenannten verschämten Altersarmut befinden, weil sie nicht auf staatliche Almosen oder Hilfe der Familien angewiesen sein wollen. Das trifft laut einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) auf 74 Prozent der Grundsicherungsberechtigten zu.

Respekt vor der Lebensleistung von Menschen

Mit einer Bedürftigkeitsprüfung würden Millionen Rentner nach 35 Beitragsjahren zu Fürsorgeempfängern degradiert, denn die entwürdigende Prüfungspraxis, wie man sie etwa von Hartz IV und aus den Jobcentern kennt, würde dann auch beim Rentenantrag greifen. Bei einer staatlichen Leistung wie Hartz IV wird das gesamte Haushaltsvermögen und -einkommen geprüft, besitzen darf man nur einen Betrag von 5.000 Euro. Sogar das Einkommen der Kinder oder Eltern wird überprüft. Wenn zum Beispiel das Einkommen eines Kindes 100.000 Euro überschreitet, haben die Eltern kein Recht auf die Grundsicherung im Alter, sondern sind finanziell von ihren Kindern abhängig – und das nach einem Leben voller Arbeit. Wo bleibt da der Respekt vor der Lebensleistung von Menschen?

Dass ein solcher Mangel an Respekt auch politische Implikationen und Folgen hätte und bereits hat, liegt auf der Hand. Ein System, das Arbeit und Arbeitende herabsetzt und Altersarmut zulässt, hat ein Legitimationsproblem. Auch deshalb ist es an der Zeit, Löhne und Gehälter endlich anzuheben. Sie sind viel zu niedrig und eben das ist ein Grund, warum wir überhaupt über eine Grundrente sprechen. Wir müssen Entgelte so gestalten, dass es keine Geringverdiener mehr gibt und damit auch niemanden mehr, der sich im Alter vor Armut fürchten muss.

Wie schaffen wir sichere Renten?

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Kommentare

Respekt

beginnt mit 35 Versicherungsjahren.

Schön, dass dies nun endlich mal festgestellt ist, dann brauchen wir nicht mehr lange diskutieren, wer Respekt verdient und wer nicht.

Zahlenmaterial zur Bedürftigkeit ?

Laut den Befürwortern dieser Bedürftigkeitsprüfung sollen ja mindestens 3,5 Mio. potentiell berechtigte Grundrentenbezieher letztlich doch keinen Anspruch haben, weil sie nicht bedürftig sind. Gibt es dazu konkreteres Datenmaterial, aus welchem Grund sie nicht bedürftig sein sollen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie alle einen Ehempartner mit hohem Einkommen, ein größeres Vermögen oder ein Kind haben, dass über T€ 100 im Jahr verdient.

Ohne Prüfung wäre die

Ohne Prüfung wäre die Grundrente gegenüber denen ungerecht, die sich die Rentenanwartschaften in Höhe der Grundrente oder geringfügig mehr erarbeit haben. Wer mehr gearbeitet und somit mehr eingezahlt hat, muss auch eine höhere Rente erhalten. Wobei ich dafür plädiere ist, dass Kindererziehungszeiten weitaus mehr berücksichtigt werden sollten.

Mal um mehrere Ecken betrachtet, könnte man glatt auf die Idee kommen, dass dieses Grundrentenkonzept ein Einstieg in die Grundrente für alle innerhalb des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung sein könnte.Wer mehr haben will, muss privat vorsorgen. Hierzu der Hinweis, dass bereits mit der Verabschiedung des Betriebsrentenstärkungsgesetzes (Frau Nahles 2016) Mechanismen zu sehen sind, die das Konzept der gesetzl. Rentenversicherung aushöhlen. Blackrock und Konsorten brauchen Geld und da lassen sich unsere Lobby-Vertreter doch nicht lange bitten in Zeiten der Globalisierung und Privatisierung.

Bedürftigkeitsprüfung

Der Beitrag von Frau Bentele ist solide, plausibel und geht in die richtige Richtung.
Helmut Gelhardt, Neuwied (Rhein), Mitglied des Sozialverbandes
Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB)

Schuss nach hinten ?

Der Erfolg dieser "Respektrente" ist meines Erachtens längst nicht ausgemachte Sache !
Denn möglicherweise fühlen sich all die Menschen die aus welchen Gründen auch immer nicht unter die auserwählten "Respektierten" fallen ganz besonders respektlos behandelt !!!
Vielleicht sollte die SPD doch mal endlich mit Macht eine wirkliche Rentenreform anstoßen, mit kurzfristig und langfristig wirkenden Rahmenbedingungen und einem großen Kreis von Einzahlern (entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit !). Da die CDU da nicht mitmacht, brauchen wir Neuwahlen und ein SPD-Programm mit klarer Kante !!!

Eine Rentenreform mit

Eine Rentenreform mit Einbindung des privaten Finanzwesen/Versicherungsgesellschaften geht aber nach hinten los, wie es sich z.B. mit der Riesterrente gezeigt hat. Die Rente als Lebensgrundlage für das Alter darf nicht der Spekulation preisgegeben werden.

Ich denke, viele Bürger würden auch privat vorsorgen, wenn es solide Möglichkeiten für alle geben würde. Die private Vorsorge mit Arbeitgeberbeteiligung (z.b. Pensionskassen) ist zumeist entweder brauchengebunden oder wird vom Arbeitgeber vorgegeben und kann beim Arbeitgeberwechsel nicht fortgeführt werden. Hier wäre der Gesetzgeber gefordert eine vernünftige Lösung zu finden.

Bedarfsprüfung gegen wirklich dekadente Renten !!!

Ganz richtig ! Wie hohe Verwaltungskosten (oft Argument einiger Versicherer) und überhöhte Gewinnmargen gezeigt haben, hat es der (freie) Markt mal auch hier (bei der privaten Altersvorsorge) wieder nicht gerichtet !
Es braucht neue und bisweilen auch alte Ideen wie : Bessere Stärkung von Wohneigentum für die (und hauptsächlich für die, weil alles andere treibt die Bau- u. Baulandpreise in die Höhe, s. Baukinderg.!) Menschen die es sich ohne Förderung nicht leisten könnten (Bsp.: Stärkung genossenschaftlichen und gemeinschaftlichen und alternativen platzsparenden zgl. barrierefreien Wohnmodellen) um gesicherte Lebensverhältnisse im Alter herzustellen !
Es macht auch aus ökologischen Nachhaltigkeitsgründen keinen Sinn, mit tlw. überhöhten Rentenansprüchen für Einige ihre dekadente, verschwenderische Lebenswirklichkeit aufrecht zu erhalten, während andere, denen in ihrem Leben einiges an Malheur dazwischen gekommen ist, ihren täglichen Lebensabend mit Flaschen sammeln verbringen müssen !
Ansonsten setzt sich eine schon in jungen Jahren erlebte krasse Einkommensungerechtigkeit ger. im Alter, wo es für Viele besonders eng wird, in noch extremerer weil bedrohlicher Weise,, fort !