SPD-Bundestagsfraktion

Atomwaffenverbotsvertrag: Ein neuer Impuls für nukleare Abrüstung

Nils SchmidGabriela Heinrich22. Januar 2021
Relikt des Kalten Krieges: Nukleare Abschreckung ist keine Sicherheitsstrategie für die Zukunft.
Relikt des Kalten Krieges: Nukleare Abschreckung ist keine Sicherheitsstrategie für die Zukunft.
An diesem Freitag tritt der Atomwaffenverbotsvertrag in Kraft. Deutschland hat den Vertrag nicht mitgezeichnet, dafür gibt es aber nachvollziehbare Gründe. Doch es gibt andere Möglichkeiten, das richtige Vorhaben zu unterstützen.

Am 22. Januar tritt dreieinhalb Jahre nach seiner Verabschiedung durch die VN-Generalversammlung der Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) in Kraft. Er verbietet die Entwicklung, Produktion, Test, Erwerb, Lagerung, Transport, Stationierung und Einsatz von Kernwaffen sowie die Drohung damit. Zu diesem Vertrag geführt hat die Frustration in weiten Teilen der Welt über mangelnde Fortschritte im Bereich der nuklearen Abrüstung. Die Aufrüstung mit und die Verbreitung von Atomwaffen haben in den letzten zwei Jahrzehnten wieder stark zugenommen. So besitzt Nordkorea inzwischen Atomwaffen, und die USA, Russland und China modernisieren ihre Arsenale. Vom AVV geht das klare Signal aus, dass viele Staaten auf dieser Welt dem nuklearen Wettrüsten nicht weiter tatenlos zusehen wollen. Deutsche und europäische Außenpolitik, die sich einem regelbasierten Multilateralismus verpflichtet sieht, sollte eine solche Entwicklung nicht ignorieren.

Deutschland engagiert sich seit langem für die nukleare Abrüstung. Erst Anfang Januar hat sich Außenminister Heiko Maas in Amman auf einer Abrüstungskonferenz der sogenannten „Stockholm-Initiative“ für dieses Ziel eingesetzt. Gleichwohl hat sich Deutschland nicht an der Ausarbeitung des Atomwaffenverbotsvertrag beteiligt und beabsichtigt auch nicht, ihm beizutreten. Dafür gibt es nachvollziehbare Gründe.

NATO-Bündnis als Beitritts-Hürde

Eine Mitgliedschaft im AVV wäre nicht mit unseren bündnispolitischen Verpflichtungen innerhalb der NATO vereinbar. Die NATO garantiert aber unsere Sicherheit und die unserer europäischen Partner. Dies dürfen wir nicht aufs Spiel setzen, obgleich wir die grundsätzlichen Ziele des AVV mittragen. Deutschland steht zum Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt und fordert dafür konkrete Abrüstungsschritte der Atommächte ein.

Kritiker des AVV bemängeln darüber hinaus, dass bislang kein einziger Nuklearwaffenstaat dem AVV beigetreten ist und ihm vermutlich auch niemals beitreten wird – denn er müsste umgehend einen Prozess der eigenen vollständigen Denuklearisierung einleiten. Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass sich ein Nuklearwaffenstaat einer solchen einseitigen Verpflichtung unterwerfen wird. Insofern ist der bereits seit über 50 Jahren bestehende Nukleare Nichtverbreitungsvertrag (NVV) nach wie vor die einzige Grundlage für weitere verhandelte und verifizierbare Abrüstungsschritte. Hinzu kommt die Befürchtung, dass dem NVV durch den AVV eine Konkurrenz erwachsen könnte und damit letztendlich eine Schwächung des NVV mit seinen erprobten Überwachungsverfahren verbunden sei. Dies wiederum würde dem Ziel der weltweiten nuklearen Abrüstung einen Bärendienst erweisen.

Diplomatie kennt mehr als nur schwarz und weiß

Allerdings gibt es zwischen diesen beiden Positionen – Beitritt versus Ablehnung – durchaus noch eine dritte Möglichkeit: In der internationalen Diplomatie gibt es für solche Fälle eigens die Möglichkeit des Beobachterstatus. Damit wird Staaten, die einer Sache (vollständige nukleare Abrüstung) im Grundsatz positiv gegenüberstehen, aber aus übergeordneten und nachvollziehbaren Gründen wie in diesem Fall nicht beitreten können (Bündnisverpflichtungen), die Möglichkeit gegeben, den Prozess zu begleiten, ohne dabei in einen Interessenkonflikt zu geraten. Der AVV ist dafür ein geeigneter Anwendungsfall.

Denn Atomwaffen sind Massenvernichtungswaffen, deren Einsatz die Menschheit im schlimmsten Fall auslöschen kann. Mit dieser Bedrohung dürfen wir uns nicht einfach abfinden, sondern unsere Anstrengungen auf dem Gebiet der nuklearen Abrüstung weiter verstärken. Gleichzeitig muss es darum gehen, die Bedeutung von Nuklearwaffen im sicherheitspolitischen Denken zu verringern und Eskalationsrisiken zu minimieren. Das erfordert ganz konkrete Schritte: maximale Transparenz in den nuklearen Arsenalen, verantwortungsvolle und restriktive Nukleardoktrinen sowie einen Dialog zwischen den Nuklearwaffenstaaten, um Fehlwahrnehmungen abzubauen und die Basis für neue rüstungskontrollpolitische Ansätze zu schaffen.

Deutschlands Brückenfunktion

Deutschland als Nicht-Atomwaffenstaat kann zwischen den Nuklearwaffenstaaten und der großen Anzahl der Staaten, die sich für eine Denuklearisierung einsetzen, eine Brückenfunktion einnehmen. Deshalb sollte Deutschland bei der in den kommenden zwölf Monaten anstehenden ersten Vertragsstaatkonferenz des AVV als Beobachter teilnehmen und dies abgestimmt mit möglichst vielen europäischen Partnern tun, die aufgrund ihrer NATO-Mitgliedschaft oder wegen inhaltlicher Vorbehalte (Schweiz, Schweden) den AVV nicht ratifizieren. Damit würden wir ein klares Signal aussenden, dass wir das Ziel der Denuklearisierung dieser Welt uneingeschränkt unterstützen, ohne unsere Bündnisverpflichtungen in Frage zu stellen. Zugleich könnte dieser Schritt auch eine Ermutigung für andere Partner in  der Welt wie Japan und Südkorea sein, es uns gleich zu tun und damit ein Zeichen für weltweite nukleare Abrüstung zu setzen.

weiterführender Artikel

Kommentare

quatsch, neuer Impuls

verkaufen Sie uns doch nicht für dumm, und bringen Sie den Genossen im Außenministerium nicht in noch größere Schwulitäten. Die BRD hat gute Gründe, den Vertrag nicht zu unterschreiben- es handelt sich einmal mehr um Symbolpolitik. Sowas kann man machen, sollte aber nicht hingehen, und dies als bahnbrechenden Erfolg verkaufen / versuchen zu verkaufen- besser gesagt

Unterschreiben !

Es wird Zeit, daß die Bundesregierung diesen Vertrag unterschreibt und international Druck für die Erfüllung dieses Vertrages macht. Und sofortiger Abzug aller Atomwaffen aus der BRD, so wie das der Bundestag vor Jahren beschlossen hat.
Und Gratulation dem vorwärts für das gute Interview mit Beatrice Fihn (leider keine Kommentarfunktion)

Atomwaffen

Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich nach Mitteilung meiner Bundestagsabgeordneten im März klar zu dem Ziel einer Welt ohne Atomwaffen bekannt. Dies sollte sie demnach auch in der Bundesregierung und im Bundestag forcieren! Nur habe ich Zweifel, dass der Außenminister diese Forderung ebenfalls in dieser Deutlichkeit vertritt.

Auch hat Rolf Mützenich schon im Frühjahr letzten Jahres den Abzug von Atomwaffen aus Deutschland gefordert; diese sollte ebenfalls massiv im Parlament und in der Öffentlichkeit verdeutlicht werden!

lieber nicht, denn

die Abgeordneten werden ja nicht gewählt, weil sie ganz besonders schöne Träume vortanzen. Wer Realist ist, wird erkennen müssen , dass die Verfügbarkeit von Atomwaffen in Händen totalitärer Systeme die nichttotalitären Staaten nachgerade zwingt, Waffengleichheit herzustellen oder aufrecht zu erhalten. Die anderen mögen weiterträumen.

Ich jedenfalls vertraue Traumtänzern und idealistischen Schwärmern Wohl und Wehe des Gemeinwesens nicht an, und stehe damit nicht allei.

zu Max Freitag

Man kann dieser Meinung sein.
Letztlich ist es aber ein Totschlagsargument.
Zu Ende gedacht kommt es dann niemals zur weltweiten Ächtung der Atomwaffen.
Atomwaffengegner als "Traumtänzer" und "idealistische Schwärmer" verunglimpfen zu wollen,
ist kein guter Stil.

zu Max Freitag II

Übrigens - unter Ex-US-Präsident Donald Trump waren wir faktisch alle sehr nahe an: ... 'in Händen totalitärer Systeme' ...

Ich wohne in Rheinland-Pfalz in Neuwied (Rhein). Das ist gerade mal ca. 60 km vom Fliegerhorst Büchel (NATO) entfernt.

Atombomben - Nein Danke!

die Nähe zu Atomwaffen kann ich toppen

Kellinghusen- taktische Atomwaffen der USA lagen da- die sind ja nun weg- aber haben uns den Allerwertesten schön warm gehalten, als es darauf ankam.

Ich rede ja nicht dem Einsatz das Wort, sondern der Warnung an andere. Und da sind die Atomwaffen Alternativlos, das muss man anerkennen , meine ich. Wer das verneint, dem vertraue ich das Leben in den Umstände nicht an, an die ich mich gewöhnt habe, und die für die ganze Welt erstrebenswert zu sein scheinen (warum sonst kommen so viele hierher, und gehen nicht woanders hin) . Darum geht es.

zu: die Nähe zu Atomwaffen kann ich toppen

Ich denke, ob die Nähe bei 60 km oder weniger liegt, ist im Ernstfall egal.

Mein Wohnort Neuwied liegt auch direkt gegenüber dem Standort (unter 2 km Entfernung) des ehemaligen
Atomkraftwerks (AKW) Mülheim-Kärlich. Dieses war zum keinem Zeitpunkt ausreichend abgesichert gegen
militärische Flugzeugangriffe oder Abstürze von Jumbos.

Vielleicht sollten Sie sich doch umgewöhnen. Ich halte das für sicherer und gesünder!

niemals

, vielleicht wenn ich dereinst den Verstand verloren habe, aber das würde ich als Willensbekundung nicht gelten lassen. Wir tun gut daran, nicht erpressbar zu sein- dazu bedarf es , man mag das bedauern, einer atomaren Asbchreckung

Atomwaffenverbotsvertrag

Der Atomwaffenverbotsvertrag wurde von Deutschland nicht unterzeichnet.
Ja - es gibt für diese Nichtunterzeichnung Gründe, die auch zu berücksichtigen und abzuwägen sind. Aber die sorgfältige Abwägung müsste letztlich dazu führen, dass der Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet wird.

Letztlich sind die Atomwaffen zu ächten - ohne WENN und ABER. Hiroshima und Nagasaki können niemals richtig gewesen sein!

Wir können uns in dieser Frage nicht mehr hinter der Nato verstecken.
Auch ein neuer und 'netterer', vielleicht sogar netter und an sich gutwilliger US-Präsident kann die Nichtunterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrages nicht rechtfertigen.

Es gibt kein richtiges Leben im falschen. Theodor Wiesengrund Adorno hat immer noch recht!