
Erstellen einer Website, Blogger, Texter, Ghostwriter gesucht – solche Arbeitsangebote gibt es nicht beim Arbeitsamt, aber im Internet. Die Anbieter heißen Elance-oDesk oder Clickworker oder twago, und sie haben die gut Qualifizierten im Blick: Designer, IT-Spezialisten und Texter. Ganz im Stillen sorgen sie für eine Revolution in der Arbeitswelt.
Online-Plattformen für Arbeitsvermittlung gibt es seit etwa zehn Jahren. Sie entstanden in den USA. Die Arbeitsform nennt sich „Crowdworking“: Unternehmen vergeben Aufgaben und Projekte über Online-Plattformen an Externe. Was früher Festangestellte oder Freiberufler aus dem unmittelbaren Umfeld erledigten, übernimmt die „Crowd“, die „Masse“ der Freiberufler, auf die Unternehmen mittels solcher Plattformen zugreifen können. Entlohnung reicht von wenigen Eurocent bis zu mehreren tausend Euro, je nach Aufgabenstellung, so die Studie „Neue Arbeitsorganisation durch Crowdsourcing“ der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.
Von wenigen Eurocent bis zu mehreren tausend Euro
„Der Markt entwickelt sich gigantisch“, sagt Thomas Jajeh (33), einer der beiden Geschäftsführer der 2009 gegründeten Berliner Plattform Twago. Allerdings steckt er in Deutschland, anders als in den USA, noch in den Kinderschuhen. Das hat eine Analyse des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) von Anfang 2015 ergeben. „Für fast 45 Prozent der Unternehmen ist der Begriff Crowdworking beziehungsweise das dahinter stehende Konzept noch gänzlich unbekannt“, so das ZEW. Aber die Entwicklung nimmt an Fahrt auf. „9,1 Prozent der Mediendienstleister nutzen bereits oder planen die Nutzung von Crowdworking in ihrem Unternehmen. In der Branche der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) sind es 5,3 Prozent“, so das ZEW.
Anders als in den USA, wo Preisbewusstsein an erster Stelle steht und Aufträge auf Englisch weltweit ausgeschrieben werden können, entwickelt sich der Markt in Europa langsamer und in eine etwas andere Richtung. Thomas Jajeh: „In weniger als 3 Prozent der Fälle wird auf unserer Plattform der günstigste Anbieter ausgewählt. Hauptkriterien für die Entscheidung sind Sprache, geografische Nähe, Qualität und dann der Preis – in dieser Reihenfolge.“ Wie viel oder wie wenig bezahlt wird, hängt indes auch davon ab, inwieweit sich komplexe Arbeiten in kleine Einheiten zerlegen lassen, für deren Erledigung wenig Know-how notwendig ist, wie die Böckler-Stiftung in ihrer Studie darlegt.
Ohne soziale Absicherung
Gewerkschaften sehen Crowdworking mit Sorge. Soloselbstständigkeit wird zunehmen, ebenso der Druck auf die Einkommen, weil es einfacher wird, eine Arbeit in Länder zu vergeben, wo die Einkommen niedriger sind. Nadine Müller, bei der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di zuständig für Innovation und Gute Arbeit: „Auch der Wettbewerb unter den Freiberuflern steigt, wenn mehr von ihnen um die Aufträge im Netz konkurrieren. Und insgesamt geraten damit auch die Löhne und Arbeitsbedingungen der in den Unternehmen Beschäftigten unter Druck."
Auch seien Freelancer zumeist nicht für Zeiten der Arbeitslosigkeit versichert und haben keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, erklärt Müller. "Die Solidargemeinschaft insgesamt verliert, weil Krankenkassen, Rentenversicherung und der Staat weniger Einnahmen erhalten.“ Deshalb will ver.di sich dafür einsetzen, dass die Plattformen sich an den Beiträgen zur Sozialversicherung der Freiberufler beteiligen.
INFO: www.faircrowdwork.org. Die neue Internetplattform der IG Metall.