Geschichte

Nach der Nelkenrevolution: Wie die SPD Portugal in die Demokratie begleitete

Am 25. April 1974 beendet in Portugal eine unblutige Revolution die Zeit der Diktatur. Dass das Land danach den Weg zur Demokratie geht und die Sozialist*innen es prägen können, ist auch ein Verdienst der SPD.

von Klaus Wettig · 8. April 2024
Enge Verbündete auf dem Weg Portugals in die Demokratie: Der Generalsekretär der Sozialistischen Partei Portugals, Mario Soares (l.) bei einem Treffen mit dem SPD-Vorsitzenden Willy Brandt am 17.12.1975 in Bonn

Enge Verbündete auf dem Weg Portugals in die Demokratie: Der Generalsekretär der Sozialistischen Partei Portugals, Mario Soares (l.) bei einem Treffen mit dem SPD-Vorsitzenden Willy Brandt am 17.12.1975 in Bonn

Der Putsch der jungen Offiziere hatte am 25. April 1974 eine morsche Diktatur beseitigt. Caetano, ihr letzter Repräsentant, besaß nicht mehr die Kraft zur Gegenwehr, sodass die politische Macht nahezu reibungslos an die Offiziere der „Bewegung der Streitkräfte“ überging. Ein umfassendes Programm besaßen sie nicht, sie wollten ein schnelles Ende der gegen Portugal in Afrika geführten Unabhängigkeitskriege und den Übergang in demokratische Verhältnisse. 

Entgegen aller Erwartungen siegen die Sozialisten von Mario Soares

Die unklaren Vorstellungen führten in den ersten Monaten in Freiheit zu wechselnden Regierungen. Meinungsverschiedenheiten wuchsen. Im Herbst 1974 versuchte General Spinola, ein Offizier der alten Schule, der aber mit den Veränderungen sympathisierte, die linken Kräfte auszuschalten. Doch seine Mobilisierung der „schweigenden Mehrheit“ misslang. Im Revolutionsrat gewannen Offiziere, die mit kommunistischen Lösungen sympathisierten, an Einfluss. Als im März 1975 ein rechter Putschversuch scheiterte, ergriff der Revolutionsrat die Chance: Die Banken und die Unternehmen, die ausschließlich in portugiesischer Hand waren, wurden verstaatlicht, der Großgrundbesitz enteignet. Mit der Besetzung der unabhängigen Tageszeitung „“Republica“, die als den Sozialisten nahe stehend galt, wurde die Gleichschaltung der Medien vollendet. 

Die geplanten demokratischen Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung waren bedroht. Erst internationale Proteste und die Uneinigkeit im Revolutionsrat sorgten dafür, dass sie für den 25. April 1975 angesetzt wurden. Entgegen allen Erwartungen siegte die Sozialistische Partei (PS) von Mario Soares, nicht die Kommunistische Partei von Cunhal. Sie blieb deutlich hinter der PS zurück. Die kommunistischen Kleinparteien erzielten Minimalergebnisse, während neben der PS die bürgerlichen Parteien achtbare Ergebnisse erreichten. 

Kluger Einfluss der deutschen Sozialdemokraten

Dabei hatte die Kommunistische Partei deutliche Wettbewerbsvorteile: Sie hatte als einzige Partei ihre organisatorische und politische Kontinuität unter der Diktatur bewahren können. Als sie wieder offen auftreten durfte, entwickelte sie rasch eine beachtliche Stärke. Ihr halfen dabei das Geld aus den sozialistischen Ländern und die Sympathisanten unter den revolutionären Offizieren. Gegen diese Übermacht waren die neuen Parteien arme Hanseln. Sie konnten sich erst 1974 gründen und verfügten nur über eine geringe Organisationskraft. 

Einzig die Sozialistische Partei besaß einen kleinen Vorsprung: Durch den klugen Einfluss der deutschen Sozialdemokraten hatten sich sozialistische Emigranten 1973 in Bad Münstereifel zu einer Neugründung entschlossen. Sie hatte seit 1974 viel Zulauf und besaß durch die Rückkehr von Emigranten fähige Kader. Den Kommunisten wäre sie trotzdem nicht gewachsen gewesen, wenn sich die von Helmut Schmidt geführte Bundesregierung nicht zur Unterstützung entschlossen hätte, die auch den anderen demokratischen Parteien half. 

Ein erneuter Putschversuch scheitert

Die Wahlen vom 25. April 1975 hatten deutlich gemacht, dass ein kommunistisches Portugal nur gegen den Willen der überwältigenden Mehrheit der Wähler durchzusetzen sein würde. Die heftigen Debatten über die neue Verfassung, die großen Demonstrationen für demokratische Freiheiten und schließlich das Zurückdrängen des kommunistischen Einflusses im Revolutionsrat erforderten eine Entscheidung. 

Zunächst wurde Vasco Goncalves, ein Vertrauensmann der Kommunisten, als Ministerpräsident abgelöst. Der versuchte Putsch von Teilen der Streitkräfte, in den auch die Kommunistische Partei verwickelt war, scheiterte. Portugal setzte den Weg zu einer parlamentarischen Demokratie fort. Am 25. April 1976 fand die erste freie Parlamentswahl seit 50 Jahren statt, aus der die Sozialisten wiederum als Sieger hervorgingen. Mario Soares wurde der erste Ministerpräsident des demokratischen Portugal. 

Dieser Text erschien erstmals 2005 im „vorwärts“.

Autor*in
Klaus Wettig

war von 1975 bis 1976 Politikberater für die sozialistische Partei im revolutionären Portugal. Als Mitglied des Europäischen Parlamentes war er Vorsitzender des Ausschusses für den Beitritt Portugals zur Europäischen Gemeinschaft.

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